Donnerstag, 27. Dezember 2018

We wish you a merry christmas (a bit too late - as always) and a happy new year!


Ja, wir leben noch. Ich hatte in den letzten Wochen schon ein paar mal Anlauf genommen, Blog zu schreiben. Aber irgendwie kam immer etwas dazwischen ... wie zum Beispiel der Versuch, der Frage auf den Grund zu gehen, warum eine meiner zwei (!) Kreditkarten bei Interneteinkäufen nur sporadisch funktioniert. Ich vermute schon seit geraumer Zeit, dass es mit dem Verified-by-Visa-Verfahren zu tun haben muss. Mir wird immer mitgeteilt, dass irgendein Sicherheitscode ins Online-Banking gesendet wurde, welchen ich eingeben soll, um die Zahlung zu autorisieren. Blöd dass im Online-Banking kein Sicherheitscode auftaucht. Eine Tiefenprüfung in den Wirren des Online-Bankings ergibt, dass die Karte gar nicht für das Verified-by-Visa-Verfahren aktiviert ist. Also versuche ich die Aktivierung. Im Rahmen dessen soll ich eine TAN eingeben, die mir auf die TAN-App aufs Eierfon gesendet wurde. Natürlich erhalte ich keine TAN in meiner TAN-App. Der einzige Effekt der Maßnahme ist, dass nun das Online-Banking gesperrt ist und ich eine Nummer in Deutschland anrufen soll, um dies zu beheben. In Anbetracht der Gebühren für Telefonate nach Deutschland und der, wie mir schwant, erheblichen Wartezeit in der Hotline, ist dies nicht gerade erfreulich. Mir kommt der geniale Einfall, Skype hierfür zu benutzen. Dabei lernt der alte Mann weiter viele neue Dinge. Er muss dazu in die durch das Ersetzen von Windows durch Ubuntu eigentlich zu den Akten gelegte wunderbare Micro-Schrott-Welt (wieder)einsteigen. Wundersamerweise funktioniert Skype, obwohl es Microsoft gehört, auch auf Ubuntu und ich habe es dort auch schon länger installiert. Allerdings hält das Microsoft nicht davon ab, einem den Besitz eines Microsoft-Benutzerkontos abzunötigen, um Skype-Guthaben zu kaufen. Nachdem ich mich durch die Registrierungs- und Guthabenkauf-Wirren gekämpft habe, kann ich nun endlich versuchen, die Bank-Hotline kostensparend anzurufen. Hierbei nehme ich wie erwartet zur Kenntnis, dass täglich, unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit (zumindest zwischen 6 Uhr und 23:30 Uhr habe ich getestet), „ungewöhnlich viele Anfragen“ eingehen und ich dafür Verständnis haben soll. Nach drei Tagen komme ich endlich durch. Unglücklicherweise versteht mich der Mann am anderen Ende nicht. Nachdem er aufgelegt hat, wird mir klar, dass Ubuntu stillschweigend das Mikrofon für Skype deaktiviert hat (vor Kurzem war das noch nicht der Fall). Das nächste Mal entscheide ich mich für die Option, um einen Rückruf zu bitten – das eigentliche Telefonat wird ja wohl nicht so lange dauern. Die Stimme verspricht mir einen Rückruf binnen einer Stunde. Tatsächlich erhalte ich 12 Stunden später einen Anruf. Leider habe ich gerade in dem Moment keinen guten Empfang und die Dame am anderen Ende keine Ausdauer, sodass das Fünkchen Hoffnung auch gleich wieder erloschen ist. Also geht es wieder von vorne los. Am übernächsten morgen habe ich früh um 6 Uhr Erfolg. Das Entsperren des Kontos geht schnell und ich erfahre, dass die Sperrung erfolgte, weil ich eine TAN nicht benutzt habe. Toll – ich habe ja auch keine erhalten. Aber mir wird jetzt immerhin per Geistesblitz klar warum: Als mein altersschwaches südkoreanisches Fon durch ein mit Payback-Punkten erstandenes Eierfon ersetzt wurde, ging mit diesem auch die TAN-App über den Jordan. Für die Neuinstallation und Aktivierung auf dem Eierfon wurde ein QR-Code benötigt. Da der alte nicht zweimal benutzt werden durfte, nahm ich dann eben den bisher unbenutzten von Laura (wir haben beide gleichermaßen Zugriff auf das Konto). Für Online-Überweisungen funktionierte die TAN-App damit wieder wie gehabt, da in diesem Zusammenhang offenbar die TANs immer an alle Kontoinhaber geschickt werden. Bei kreditkartenbezogenen Dingen ist dies, wie mir nun plötzlich klar wird, nicht der Fall. Ich fürchte schon, dass ich einen neuen QR-Code-Brief an jemanden in Deutschland schicken lassen muss, der mir diesen dann einscannt (direkt nach Südafrika schicken lassen, würde ja mehrere Monate dauern – siehe letzter Blog). Der Hotline-Mitarbeiter kann mich aber beruhigen: Es ist auch möglich, sich einen Aktivierungslink per SMS schicken zu lassen. Also tue ich das. Da nur meine deutsche Telefonnummer hinterlegt ist, landet dieser natürlich auf Lauras uraltem, nicht ganz so smarten Fon, in welches wir meine deutsche SIM-Karte der Erreichbarkeit halber eingelegt haben. Da mir die Aufgabe die >100-stellige Zahlen- und Buchstabenkombination fehlerfrei mit meinen Wurstfingern in den Internetbrowser meines Eierfons einzugeben unlösbar erscheint, tue ich dies eben am PC. Dort erhalte ich die Mitteilung, dass ich die Banking-App (was nicht das gleiche ist wie die TAN-App!) nicht installiert habe. Also geht der Link, den ich gerade eingetippt habe, per E-Mail ans Eierfone und ich installiere die Banking-App. Dies ändert allerdings nichts an der Fehlermeldung beim Anklicken des Links. Mittels weiterem Geistesblitz wird mir klar, dass ich die Banking-App vielleicht mal im Hintergrund starten sollte (von all diesen wichtigen Details steht nirgends etwas). Es fehlt jetzt eigentlich nur noch, dass ich gleich einen auf dem Eierfon angezeigten QR-Code mit ebendiesem selbst einscannen soll. Glücklicherweise tritt dieser Fall nicht ein und es gelingt das schier Unglaubliche und schon nicht mehr für möglich Gehaltene: Ich kann die TAN-App nochmal für mich aktivieren, die Aktivierung des Verified-by-Visa-Verfahrens anfordern, erhalte die dafür benötigte TAN und kann mit Letzterer den Elfmeter sicher verwandeln. Verbunden mit dem Vorgang sind eine Reihe von Fragen: Werde ich die Welt unserer Kinder noch verstehen oder werde ich bald ins Eierfon wie Urgroßmutter in den PC schauen? Bin ich tatsächlich so doof oder geht es wenigstens gelegentlich auch anderen Individuen so wie mir? War die ganze Sache eventuell nur eine unglückliche Verkettung von Umständen? …

So, damit nun zum eigentlichen Blog bzw. zur Abarbeitung der weiteren Geschehnisse der letzten Wochen bzw. Wochenenden. Zunächst fahren wir am zweiten Adventswochenende ins Nichts nach McGregor zum Race2Nowhere. Das Tourismusfaltblatt des Ortes sagt Folgendes: „New visitors always ask, “What is there to do in McGregor?” – Caught by surprise, the locals will look a bit confused and after a while say “Enjoy the quiet, that's why we love it“. Tatsächlich gibt es hier nichts als sehr viele Weinreben – und eben hinreichend viele Pfade zum Wandern oder Mountainbiken. Die Geschichte des Rennens ist schnell erzählt: Ich habe einen einzigen echten Konkurrenten. Er ist bergauf schneller und ich bin schneller bergab, sodass wir uns immer wieder finden. Nach reichlich drei Stunden bekomme ich Krämpfe, die ich mir zunächst einmal nicht erklären kann. Weder bin ich anfällig dafür noch ist es besonders warm. Mit der Devise „schön gleichmäßig weiterfahren und nichts anmerken lassen“ kriege ich die Sache aber einigermaßen in den Griff. Zum Glück geht es die letzten zehn Kilometer auf einem Trail bergab, sodass ich das Rennen dort für mich entscheiden kann. Später gibt es dann die Auflösung für die Krämpfe: Das hier gekaufte (amerikanische) Iso hat sich, trotz sorgfältigen Schüttelns, nicht aufgelöst. Dreckszeug! Ich war also weitestgehend auf Wasser unterwegs (ich freute mich schon über den angenehm neutralen Geschmack ...). Und das ist, soviel habe ich als Abfragsklave für Laura in Biochemie gelernt, ist über eine Renndauer von 4,5 Stunden keine gute Idee. Aber sei‘s drum, es hat ja gereicht.
On the road to nowhere
Seit vergangenem Wochenende sind wir für zwei Wochen im „Urlaub“. Zunächst führte uns dieser zum südlichsten Punkt Afrikas zum Kap Agulhas. Unsere Bleibe inmitten des dortigen Nationalparks relativitierte die Einsamkeit in McGregor deutlich: Ein sehr primitives Häuschen, umzingelt von Ameisen und Schildkröten, versorgt durch eine Solarzelle und ein paar Gasflaschen. Lediglich zwei weitere (unbelegte) gleichartige Häuschen waren noch im weiteren Umkreis zu finden. Eine derart ruhige Zeit vor Heiligabend hatten wir noch nie. Was keinesfalls heißen soll, dass es uns langweilig gewesen wäre oder wir die Zeit dort nicht genossen hätten. Ein Mountainbikerennen gab es natürlich auch am Kap Agulhas. Bei diesem realisiere ich, dass die Aussage „very little sand“ (siehe Blogeintrag #2), welche ich für Ironie hielt, wohl doch keine war. Schließlich dürfen wir erstmal 10 Kilometer  durch den Sand am Strand entlang pflügen. Für Abwechslung sorgt dabei mein Darm, der an diesem Tag mächtig verrückt spielt. Durch Zünden des Afterburners (welch ein Wortspiel) kann ich mich dennoch der Konkurrenz entledigen. Das weitere Rennen gestaltet sich, vorsichtig ausgedrückt, sandig. In einer Abfahrt verheddert sich mein Lenker im Fynbos (→Google hilft). Mein Fahrrad bleibt instantan stehen, während ich mich weiterbewege. Den Gesetzen der Mechanik folgend befinde ich mich auf einer ballistischen Flugbahn. Aber alles kein Problem – ich lande mit Telemark im Sandkasten. Den Weitsprung-Weltrekord knacke ich dabei ganz bestimmt und ich darf zurück zu „Scottie“ joggen um auf diesem die Fahrt ohne weitere Zwischenfälle bis ins Ziel fortzusetzen. In einen südafrikanischen Nationalpark werden wir nach unserem Aufenthalt am Kap Agulhas allerdings vermutlich nie wieder rein gelassen. Zunächst erledigt Laura zielsicher beim Rückwärtsfahren das Schild „Cottage #3“ vor unserem Haus. Das ist in Anbetracht der Weite des Geländes eine bemerkenswerte Leistung. Emil seinerseits verpasst den Wänden in Cottage #3 in einem unbeobachteten Moment mit einem Kugelschreiber ein paar sehr moderne Höhlenzeichungen. So richtig böse kann man ihm gar nicht sein. Ich hatte ihm lediglich gesagt, dass er das Bett nicht anmalen soll. Den krönenden Höhepunkt bildet unsere Abreise. Beim Einladen des Autos zieht Emil die Tür hinter sich zu, während wir uns alle vor der Tür befinden. Zum Ersten schließt der Kerl normalerweise nie eine Tür – weder mit noch ohne Aufforderung. Zum Zweiten war mir die Gefahr, dass dieser Fall eintreten könnte, die ganze Zeit ziemlich bewusst und ich habe immer darauf geachtet, den Schlüssel in der Hosentasche zu haben … außer in diesem Moment, in dem er natürlich im Haus war. Zum Dritten befindet sich an ebendiesem Schlüssel auch der Schlüssel für das Tor der (sehr weitläufigen) Umzäunung des Geländes, sodass uns der in meiner Hosentasche befindliche Autoschlüssel nichts nützt – es sei denn, wir wollen noch mehr Schaden anrichten und das klapprige Tor einfach über den Haufen fahren. Zum Vierten befinden wir uns wirklich im Nichts und der nächste Ort ist einen Tagesmarsch entfernt. Zum Fünften schließlich haben wir am Haus keinen Handyempfang. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten: (1) Irgendwo im Gelände Handyempfang zu finden oder (2) das immerhin schon im Auto befindliche Fahrrad (durch den Durchgang für die Tiere in der Umzäunung kommt man damit durch) zu benutzen, um zum nächsten Ort zu fahren. Murphy‘s Law hat ein Erbarmen mit uns und (1) hat Erfolg. Es stellt sich Heraus, dass „in einer Stunde“ die Putzkräfte kommen sollen, die noch einen Schlüssel haben. Was in Afrika „eine Stunde“ bedeutet wissen wir ja. Allerdings befinden wir uns wie bereits erwähnt inmitten von Ameisen, was den PKW zu unserem einzigen Rückzugsort macht. Alle Dinge, die uns die Zeit vertreiben könnten, befinden sich natürlich auch noch im Haus. So spielt Familie Stark am 24.12. mittags in einem klapprigen Volvo umgeben von Nichts „Ich seh etwas, was Du nichts siehst ...“. Die Putzkräfte sind dann gar nicht mal so unpünktlich. Das ist auch nötig, denn von der folgenden Unterkunft in Mossel Bay erhalten wir wenig später einen Anruf, dass wir „5 pm sharp“ eingecheckt sein müssen, weil danach Schicht ist und wir wahlweise am Strand, im Auto oder auf der Straße nächtigen müssen. Toll - bisher war von „7 pm“ die Rede. Die Fahrt nach Mossel Bay gestaltet sich notwendigerweise rasant und wird nur von zwei weiteren Anrufen, dass wir „5 pm sharp“ da sein müssen unterbrochen.
Cottage #3

Eine durchschnittliche Schildkröte

Motortraining fängt bei den Kleinsten an.

Father Christmas x 2

Der Leuchtturm am Kap Agulhas (Besteigung mit Kind und Kegel abenteuerlich)

In Mossel Bay ereilt uns ein Kulturschock: Aus der Einsamkeit inmitten eines Nationalparks ziehen wir in den zehnten Stock eines Apartment-Bunkers an einem Ballermann-artigen Strand um. Diese Tatsache haben wir meiner Naivität bzw. Dummheit zu verdanken. Wir hatten eigentlich etwas ganz anderes gebucht. Nur war dieses doppelt gebucht worden. Telefonisch hatte man mir eine „äquivalente“ Alternative angeboten und da die Unterkunftssituation über den Jahreswechsel in Mossel Bay offensichtlich schon arg angespannt war, habe ich Depp ohne weitere Nachfrage eingeschlagen. Ein Apartment mit Blick aufs Meer aus dem zehnten Stock hat natürlich auch was und wir machen einfach das Beste draus. Etwas beunruhigend ist allerdings, dass im ganzen Apartment Zettel angeklebt sind, welche die Strafgebühren für Dinge wie Nichtverschließen der Wohnung auflisten. Wenn Emil so weitermacht wie am Kap Agulhas, sind wir am Ende vermutlich pleite. Im Übrigen ist es sehr amüsant, von oben das Treiben am Strand zu beobachten. Mit unserer widerspenstigen Strandmuschel sind wir schon elendige Amateure im Vergleich zu den Profis, die im Nullkommanix ganze Bierzeltburgen errichten. Zum Glück sind die Strandtouristen ein faules Volk, sodass man dem Trubel mit wenigen Schritten leicht entgehen kann. Alternativ ist es auch möglich, einfach den Strandbesuch auf vormittags vor 10 Uhr zu verlegen. Hinreichend warm ist es auch dann schon. Die Wassertemperaturen laden übrigens im Gegensatz zu Cape Town voll und ganz zu ausgedehnten Badegängen ein. Der Unterschied zwischen indischem und atlantischen Ozean (bzw. warmer und kalter Meeresströmung) ist schon gigantisch. Selbstverständlich gibt es auch in Mossel Bay Mountainbikerennen. Ein Schelm der denkt, wir hätten die Urlaubsplanung nach den Rennen gerichtet. Das Boxing-Day-Rennen hat Laura gestern bereits für sich entschieden, während ich an Silvester nochmal ran darf bevor wir uns auf die Heimreise begeben.
Blick aus dem Apartment in Mossel Bay

Vielfach erreichte uns die Frage, wie es denn mit den Weihnachtsgefühlen steht. Nun – von Weihnachten merken wir hier nicht viel. Die Kinder haben zwar Adventskalender und wir Lebkuchen aus D geschickt bekommen und außerdem hat der Kindergarten die Weihnachtsgeschichte aufgeführt (mit Paul als Kamel und Emil als Schafhirte). Weihnachtsdekoration gibt es allerdings nur sporadisch und Strandwetter geht einfach vom Kopf her nicht mit Weihnachten zusammen. Es ist aber auch nicht so, dass uns etwas fehlen würde. Erst recht nicht Blick auf die gegenwärtigen Temperaturen in Deutschland. Damit bis zum nächsten Mal.

Mal wieder Table Mountain

Wanderung

Hallo!?

Sonntag, 25. November 2018

"Two minutes"

Nachdem meine Frau mir gerade mitgeteilt hat, dass es mal wieder Zeit für einen Blog wäre, sei es denn eben so.

Einen nicht unerheblichen Teil der Zeit seit dem letzten Blog wurden wir unerfreulicherweise in den Entwicklungsstand unserer ersten Wochen in Südafrika zurückversetzt: Kein Auto. Zunächst einmal diagnostizierte die Werkstatt ein defektes Automatikgetriebe. Also Getriebespezialisten suchen. Immerhin blüht der Reparaturmarkt hier und für jedes Teil am Auto gibt es zig Spezialisten.  Dumm nur, dass Getriebe offenbar häufiger den Geist aufgeben und die Wartezeiten vergleichbar mit denen auf einen Hautarzttermin in good old Germany sind. Mit viel Glück gelingt es uns trotzdem jemanden zu finden, der sich der Sache annimmt. „Two to three hours“ soll es dauern, bis die Ursache gefunden ist. Wir lernen dabei, dass „two to three hours“ in Südafrika genauso wie „two minutes“ mehrere Tage sind. Nicht umsonst unterscheidet man hier, mit ansteigender Eintrittswahrscheinlichkeit des betreffenden Ereignisses, zwischen „just now“, „now“, „right now“ und „now now“. „Just now“ ist dem Deutschen „Vielleicht irgendwann mal“ gleich zu setzen; und „now now“ würde ich nach unseren bisherigen Erfahrungen mit „bald“ übersetzen. Wir haben immerhin Glück und die Diagnosefindung tritt ein, wenn auch mit Verspätung. Bestätigt wird meine Anfangshypothese, dass der Turbolader den Betrieb eingestellt hat. Gut, dass der Unterschied zwischen Turbolader und Automatikgetriebe nicht allzu groß ist und der Getriebespezialist sich imstande sieht, das Teil einer Generalüberholung zu unterziehen. Ich wette, dass in D kein Mensch auf die Idee gekommen wäre, den Turbo wieder in Stand zu setzen. Aber in Südafrika wird löblicherweise repariert, was zu reparieren geht – in Anbetracht der Lohnkosten macht das nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht Sinn. Freilich zieht sich der Reparaturprozess in die Länge – ABER: der Elch röhrt mittlerweile (vorerst) wieder!

Mit wiedergewonnener Mobilität wird der Plan ins Auge gefasst, an diesem Wochenende nach Stellenbosch zum „Origin of Trails“, einer zweitägigen MTB-Veranstaltung, zu fahren. Der Plan wird allerdings zwischenzeitlich dadurch zunichte gemacht, dass es laut offiziellem Regelwerk dort keine „late entries“ gibt. Ich hätte an dieser Stelle die Sache abgehakt. Aber Laura ist halt bei sowas penetrant und ruft beim Veranstalter an – mit dem Resultat, dass es doch noch eine Handvoll Startnummern gibt, die am Freitag vor Ort nach dem Motto „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ vergeben werden. Also geht‘s Freitagnachmittag nach dem Motto „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ nach Stellenbosch. Wir haben tatsächlich Glück und ergattern einen Startplatz. Nachdem ich die letzten beiden Wochen aufgrund eines vorübergehenden Wintereinbruches (Temperaturen knapp unter 20 °C) rumgekränkelt habe, ist Laura an diesem Wochenende am Drücker. So geht‘s für sie Samstagmorgen auf die Strecke. Ungünstig ist dabei, dass sie als Nachmeldung in der letzten von fünf Startwellen starten muss. Im Klartext bedeutet das, dass es auf den Trails wie im Supermarkt an der Kasse zugeht. Wie sie es unter diesen Umständen schafft, für die nicht gerade einfache Strecke nur ca. eine halbe Stunde weniger zu brauchen als die polnische Männerelite (die Kerle sind mir offenbar nach unserem letzten Aufeinandertreffen Ende September in Jelenia Gora hierher gefolgt), bleibt für mich ein Rätsel. Ebenfalls bleibt ein Rätsel, weshalb Laura nicht in der Ergebnisliste auftaucht, wo sie unter Berücksichtigung von Nettozeitnahme eigentlich an zweiter Stelle zu finden sein sollte. Als wir dies feststellen, befinden sich die Zeitnehmer allerdings schon im Feierabend, sodass Laura am nächsten Morgen den Hauptpreis gewonnen hat, dass 5:30 Uhr der Wecker klingelt, um der Sache auf den Grund zu gehen (Start: 7 Uhr ...). Den Schlaf verkürzt das allerdings nicht, da dieser weitestgehend ausfällt. Hat doch die Putzfrau im Appartement tagsüber das Fenster geöffnet und wir haben es nicht mitbekommen, sodass wir abends bei voller Beleuchtung eine Kolonie Mücken aufsammeln. Aus irgendeinem Grund sind die Biester hier viel lauter als ihr mitteleuropäisches Pendant und an Schlaf ist nicht zu denken. Die Tageswertung (oder besser: Nachtwertung) der meisten Mückenstiche gewinnt Klara überlegen, während ich abgeschlagen auf dem letzten Platz lande. Mein Blut ist denen vermutlich zu abgestanden. Lauras frühmorgendlicher Besuch bei den Zeitnehmern bringt wenig Licht ins Dunkel, da diese einen IT-Totalausfall zu verzeichnen haben. Immerhin gelingt ein „Upgrade“ in die erste Startwelle, was freie Fahrt bedeutet. Dies verkürzt den Tagesrückstand auf die Polen auf unter 15 Minuten, was mir im Hinblick auf unseren geplanten Start beim Cape Epic als Mixed-Team so langsam Angst macht (insbesondere in Anbetracht ihres nominell desolaten Trainingszustandes). Wie dem auch sei: auch diesmal löst die Zeitnahme nicht aus. Nähere Nachforschungen ergeben schließlich, dass der Transponder kaputt ist. Endlich mal was Neues. Nach Rekonstruktion des Resultats mit Steinzeitmethoden reicht es am Ende mit komfortablem Vorsprung zum Gesamtsieg. Bei der Siegerehrung lernen wir zu guter Letzt auch noch, dass wir eigentlich Briten sind - ebenfalls was Neues. Ich selbst werde jeweils nachmittags zum Training auf die Trails gelassen, die auf so furchteinflösende Namen wie Armageddon 1-8 hören [Den Rock-Garden auf der Weltcup-Strecke in Stellenbosch befinde ich für noch besch*****er als er mir bei der Live-Stream-Übertragung im Frühjahr ohnehin schon erschien. Mindestens eine Viertelstunde dauert es, bis ich eine brauchbare (soll heißen: für mich fahrbare) Linie durch die 100 Meter Felsbrocken finde.]. Den Adrenalinkick des Wochenendes gibt‘s aber nicht auf den Trails, sondern am Straßenrand als mir ein vielleicht 10-Jähriges Kind eine grüne Schlange vor‘s Gesicht hält ...



Desweiteren möchten wir darauf aufmerksam machen, dass wir in der 3 Manson Road und nicht in der 3 Madison Road wohnen. Irgendwo hat sich hier auf dem Weg von Druidenohr zu Druidenohr ein Fehler eingeschlichen. Wer auch immer in der 3 Madison Road (die es im angrenzenden Stadtteil tatsächlich gibt) wohnt, freut sich jetzt möglicherweise über eine Menge Post aus Deutschland. Wobei: wahrscheinlich eher (noch) nicht. Hatten wir schonmal erwähnt, dass übliche Postzustellzeiten (im südafrikanischen Inland) mehrere Monate betragen? Wir erhalten regelmäßig an die Vorbewohner gerichtete Briefe, die typischerweise auf Mai oder Juni datiert sind. Mehr dazu siehe auch hier: https://businesstech.co.za/news/business/283666/south-african-post-office-struggling-to-clear-its-backlog/. Ganz im Gegensatz zur südafrikanischen Post (Staatsbetrieb) verhält es sich allerdings mit den meisten privaten Lieferanten: Es ist schon amüsant, wenn du deine Lieferung auf die Minute genau tracken kannst und nicht mal zum Fenster raus schauen musst, um zu wissen, dass gerade ein kurz vor dem Zusammenbrechen befindlicher Kleinlaster (der Typus aus „Die Olsenbande stellt die Weichen“) vor deiner Tür vorfährt.

Zu guter Letzt noch was zum Schmunzeln (so erging es jedenfalls uns): https://www.google.com/maps/@-33.984051,18.4727193,3a,37.5y,155.07h,94.44t/data=!3m6!1e1!3m4!1sk9t73IPFid2F4bBEu4ZQgg!2e0!7i13312!8i6656 (Hinweise: (1) zu sehen ist die Polizeiwache in Claremont und (2) https://www.adt.co.za/). Damit bis zum nächsten Mal!



Schildkröte hat Vorfahrt.

Gut zu wissen.

Gesichtet im Wald ... und ich dachte immer, Uhus schlafen tagsüber (tat dieser hier ganz offensichtlich nicht).

Blümchen für den Garten.

Spielplätze gibt's zum Glück auch hier.

Landplage Hadeda-Ibis: Neigt (genauso wie die andere Landplage Eichhörnchen) dazu vor Fahrräder zu springen ...

Cape Town

Dienstag, 6. November 2018

Lebenszeichen

Nach ersten vorsichtigen Hinweisen, dass wir uns bitte mal wieder melden mögen, wollen wir das hiermit tun. Wie schon angekündigt ist mittlerweile etwas Ruhe eingekehrt - was nicht heißen soll, dass es langweilig ist. Allerdings gibt jetzt so etwas wie einen Tagesrhythmus, welcher nur noch gelegentlich von Sonderereignissen durchbrochen wird.

Beim letzten Mal war ich beim Auto stehen geblieben. Nun – die Sache war zunächst weitgehend wie geplant verlaufen, sodass wir jetzt stolze Besitzer eines Volvo V70 sind. Von kleineren Defekten wie der notwendigen Komplettüberholung der Aufhängung kann man getrost absehen, da die Reparaturkosten hier im umgekehrten Verhältnis zum Anschaffungspreis des Fahrzeugs stehen. Konstruktiv scheinen mir die Elchbauer allerdings interessante Wege zu gehen: Ich konnte es bei der ersten Reifenpanne kaum glauben, dass die Hebepunkte für vordere und hintere Achse kaum 50 cm auseinander liegen. Da weiß man immerhin schonmal ziemlich genau, wo der Schwerpunkt des Autos ist. Auch drängt sich die Frage auf, ob man bei voller Zuladung im Kofferraum hinten überhaupt noch einen Radwechsel vornehmen kann ohne erstmal den ganzen Kofferrauminhalt auf die Straße kippen zu müssen oder den Tank abzulassen. Der höchst popelige Volvo-Wagenheber macht das Aufbocken des Fahrzeugs dann zum echten Workout. Abgerundet wird dies durch das gefühlt 20 cm messende Volvo-Radkreuz. Kurz: mit meinen kümmerlichen Oberarmen wäre es ohne einen glücklicherweise vorhandenen zweiten Mann unmöglich gewesen, damit irgendeine Radmutter zu lösen. Sah sicher lustig aus, wie wir da zu zweit am Radkreuz hingen. [Anmerkung von Laura: Ein Autoplatten ist mir noch nie untergekommen. Drum war ich auch ziemlich hilflos in dem Moment. Zu Hause mit den Kiddies und Brötchen zum Brunch gestartet, fuhr der schon etwas komisch, aber ich war mich sicher, noch die 5 km zu schaffen. Am nächsten Berg war nicht mehr als 30 km/h drin und ich musste arg gegenlenken. Zwei Kurven weiter war an Weiterfahren nicht mehr zu denken und wir mussten links ranfahren. So ein Platten ist ja eine typische Blickdiagnose, aber ich war recht hilflos in der Erstversorgung dessen. Ich dachte an Luftpumpen, Ersatzschlauch und Flickzeug, aber war mir dessen Sinnlosigkeit bewusst. Die meisten Leute hier sind sehr nett und hilfsbereit, so auch der Läufer, der vorbeikam, das Ersatzrad aus dem Kofferraum wuchtete und feststellte, dass jenes ebenfalls flat sei. Klasse! Telefonisch konnte ich Sebastian nicht erreichen, da ich mit dem Telefon mit deutscher Sim-Karte ohne Guthaben lediglich WLAN nutzen kann, was es dort im Wald nicht gab (Anmerkung Sebastian: sie hätte bloß wählen müssen – die Annahme, dass kein Guthaben drauf sei, war falsch ...). So zockelten wir zu viert los, um jemanden mit Telefon zu finden um Sebastian anzurufen, der natürlich nicht abnahm. Glücklicherweise konnte der Brunchgastgeber erreicht werden, der mit Luftpumpe für das platte Ersatzrad und Sebastian im Gepäck uns abholen kam.] Geringfügige Sorgen bereitet mir auch die Tatsache, dass der gute Elch mittlerweile nur noch mit Müh, Not und Bodenblech bis 130 km/h kommt – und das trotz 180 PS. Nicht dass man diese Leistung hier in irgendeiner Weise brauchen würde (die Durchschnittsgeschwindigkeit im bisherigen Leben des Volvo liegt bei sagenhaften 27 km/h). Aber irgendetwas ist da im Argen. Es dürfen Wetten abgeschlossen werden, wann der Elch die Hufe hoch reißt. Das Geweih hat er ja gewissermaßen schon abgeworfen.

The car is kaputt (s. u.).
Die ersten Renneinsätze mit dem MTB haben wir auch hinter uns. Vor zwei Wochen durfte ich in Durbanville ran. Allzu viele Überraschungen konnten dort nicht warten, da mir die Strecken in der Region von meinen beiden Cape-Epic-Teilnahmen bekannt sind und das Motto „Kennst Du eine, kennst Du alle“ gilt. Das soll keinesfalls heißen, dass die Strecken langweilig sind. Aber vom Grundprinzip sind sie doch ähnlich. Die sehr spontane Entscheidung zu dem Rennen zu fahren, trug nicht unbedingt zur Rennvorbereitung bei. So dilettantisch stand ich vermutlich das letzte Mal bei meinem ersten Rennen vor 15 Jahren am Start. So ging es Punkt sechs Uhr morgens (die spinnen die Südafrikaner) bewaffnet mit Handpumpe und einer Batterie Müsliriegel an den Start. An letzteren würde ich das halbe Rennen lang zu kauen haben. Am ersten längeren Anstieg wunderte ich mich erstmal, weshalb einer der Konkurrenten sich vor mir völlig auskotzte, um als erster über die Kuppe zu kommen und im Folgenden zwangsläufig völlig zu kollabieren. Des Rätsels Lösung gab es erst am Nachmittag: Bergprämie. In der Ausschreibung hatte davon nichts gestanden. Wie auch immer: 150 Euro ohne Not vergeigt, Depp! Das weitere Rennen verlief, zumindest dem Anschein nach, ohne weitere Zwischenfälle. Ich konnte mich nach und nach meiner Mitstreiter entledigen. Den letzten verbliebenen Konkurrenten nahm ich mit meinen neu erworbenen (Halb-)Fähigkeiten als Aushilfsstraßenfahrer in einem Flachstück gemeinerweise auf die Windkante, woraufhin auch dieser die Segel strich. Das Ziel erreichte ich zur allgemeinen Verwunderung als Dritter ohne je wieder jemanden gesehen zu haben. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten: Ich habe irgendwo eine Extraschleife gedreht (meine Vermutung) oder die beiden vor mir haben irgendwo eine Abkürzung oder ein Wurmloch gefunden. So genau weiß das keiner. Der Herr Kommissär analysiert jedenfalls noch bis zum heutigen Tage unsere GPS-Daten …
Die Aussicht am Stairway to Heaven in Meerendal konnte ich bei meinen bisherigen Besuchen aufgrund akuten Zeitdrucks nicht genießen.

Jugend trainiert für Olympia.
Laura war dann am vergangenen Wochenende dran mit Rennenfahren. Hierzu haben wir uns in die Nähe des West-Coast-Nationalparks begeben. Die Veranstaltung dort ordnete sich in die Kategorie Halden-Bike-Marathon ein. Sowas gibt es hier also auch. Lediglich die Ironie in der Aussage „very little sand“ in der Ausschreibung war uns entgangen. Laura ließ ungeachtet dessen und im Gegensatz zu mir nichts anbrennen und überquerte mit hinreichendem Vorsprung die Ziellinie. Sicher wäre der Vorsprung noch deutlich größer ausgefallen, wenn man ihr vorher gesagt hätte, dass es sich (mutmaßlich) um eines der schlangenreichsten Gebiete des Planeten handelt. Dies wurde mir allerdings erst bei meiner Trainingseinheit nach dem Rennen deutlich. Zugegebenermaßen wurde mir in Anbetracht der Tatsache, dass alle 50 Meter eine einwandfreie Schlängellinie im Sand quer über die Straße verlief (in Kombination mit der Tatsache, dass am Morgen dort eine Horde Mountainbiker durchgepflügt war), dann auch etwas mulmig. Die Entscheidung, sich lieber etwas in Richtung Straßenmitte zu orientieren, stellte sich im weiteren Verlauf dann auch als sehr vernünftig heraus. Den Rest des Wochenendes verbrachten wir am Strand, wo wir zu unserem Erstaunen einen Delfin (?) und einige Wale einschließlich eines Killerwales (der eigentlich auch ein Delfin ist) in unmittelbarer Strandnähe beobachten konnten.
(Wasser sehr kalt)
(Laura schreibt jetzt zu Ende, weil ich für heute am Ende bin.)

Die (größeren) Kinder gehen zu unserer Freude weiterhin gerne zur „pre-school“, sprich Kindergarten, und überraschen uns täglich mit neu erlerntem Englisch wie „Klopapier-bums“, was wohl „Clean up your bums!“ heißt, aber die Bedeutung ist nicht weit verfehlt. Heute haben sie der Sekretärin im Kindergarten erklärt „Our car is kaputt“. Sie hat es wohl verstanden.

Wettertechnisch ist momentan alles möglich zwischen 5 °C und 38 °C. Die letzten beiden stärkeren Winde endeten jeweils mit einem Stromausfall, was bei den schiefen Strommasten und dem abenteuerlich anmutenden Kabelsalat auch nicht weiter verwunderlich ist. Beim ersten Mal hatten alle um uns herum auch keinen Strom mehr. Beim zweiten Mal waren wir die einzigen, die im Dunkeln saßen. Ein Anruf beim Verwandten der Vermieter brachte im wahrsten Sinne des Wortes kein Licht ins Dunkel. Ein Durchkommen bei der städtischen Emergency Hotline, welche in die Schublade „public service/bureaucrazy“ gehört, schien unmöglich. Im gleichen Moment als am anderen Ende dann doch jemand abnahm, ging bei uns das Licht an. Das hat uns schwer beeindruckt.

Auch ein Resultat des letzten Sturms - zum Glück nicht unser Haus.
Was man nicht alles aus einem alten Autoreifen machen kann.

Klara mittendrin statt nur dabei.

Strand in Hout Bay (man könnte denken, wir machen Strandurlaub hier).

Sonntag, 14. Oktober 2018

Sort price from low to high und wer billig kauft, kauft zweimal

Wie gelegentlich angekündigt, ist er hier nun: Der erste Blogeintrag aus unserem vorübergehenden Wohnsitz in Kapstadt. Die Verspätung – wir sind immerhin schon zehn Tage hier – lässt sich durch 100%ige Systemauslastung unsererseits in den vergangenen Tagen erklären.

Die Anreise zum Flughafen nach Frankfurt gelingt dank der Mithilfe unserer Väter weitgehend reibungslos. Entsprechend schaffen wir es völlig unerwartet nicht als Letzte, sondern immerhin als Drittletzte den Flieger zu besteigen. Der Flug über die Nacht verläuft auch ohne nennenswerte Vorkommnisse. Es erschließt sich mir lediglich nicht, weshalb man bei Start 22:15 Uhr noch ein Abendessen serviert bekommt. Da alle weiteren Familienmitglieder bereits mit dem Nachtschlaf  beschäftigt sind und der zammnemmsche (nicht: geizige) Erzgebirger nichts umkommen lässt, befinden sich kurz vor Mitternacht alle vier für uns vorgesehenen Portionen in meinem Magen.
Ankunft am Haus
Ankunft, Einreiseprozedur und Transport zu unserem Heim für das nächste Jahr gelingen derart problemlos, dass wir uns fragen wo der Haken ist. Nun: Wir sind zwei Stunden früher vor Ort und die Person, die die Hausübergabe machen soll, ist noch nicht verfügbar. Entsprechend übernimmt das jemand anderes, der aber von dem Haus auch nicht viel mehr versteht als wir. Die Kurzeinweisung in die hier übliche, und vielfach als unabdinglich angekündigte Alarmanlage fällt kurz aus und ich versuche das ganze mit Internet(halb)wissen abzurunden. So kommt es, wie es kommen muss: Vor dem Insbettgehen wird der Alarm scharf gemacht – man weiß ja nie. Nach drei Schritten weg von der Bedieneinheit bricht die Hölle los. Wenn ich ein Einbrecher wäre, würde ich jetzt schon allein wegen des gesundheitsgefährdenden Geräuschpegels das Weite suchen. Immerhin weiß ich den Code zum Entschärfen. Höchstens zehn Sekunden später klingelt das Telefon und die Security-Firma fragt was hier los ist. Ich soll ein Passwort nennen um mich zu identifizieren. Hiervon war bisher keine Rede … entsprechend haben wir drei Minuten später das Armed-Response-Kommando (https://www.adt.co.za/service/armed-response/) vor der Tür stehen. Mit viel Überredungskunst kann ich die charmanten jungen Herren überreden, dass wir die neuen Bewohner sind. Immerhin: Der Test der Sicherheitssysteme ist gelungen. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Funktion des Alarmsystems, bei der die Bewegungsmelder deaktiviert und nur die Sensoren an Türen und Fenstern aktiviert sind, nicht ordnungsgemäß programmiert ist. Die vorhergehenden Bewohner haben in den 20 Jahren, in denen sie hier lebten, den Alarm während der Nacht nie benutzt. Vorfälle gab es wohl nicht – und das obwohl unser neues Anwesen im Vergleich zu den Nachbarn mit Sicherheitstechnik derart kümmerlich bestückt ist, dass ich es als Einbrecher wenn dann dort versuchen würde. Vermuten potenzielle Einbrecher eine Falle oder etwa dass es hier nichts zu holen gibt oder sind die Nachbarn vielleicht alle etwas paranoid? Fragen über Fragen.
Unser Haus
Die folgenden Tage verlaufen etwas holprig. Irgendwo schnappe ich den Spruch auf: „The Europeans invented the bureaucracy, the (South) Africans perfected it“. Den Wahrheitsgehalt der Aussage kann ich nun bestätigen. Eigentlich hätte uns das aber auch schon nach der Visumsprozedur klar sein müssen, als wir einen Aktenordner voller Dokumente in der Südafrikanischen Botschaft in Berlin abgaben. Sehr erfindungsreich fand ich auch die Anforderung der Kopie einer beglaubigten Kopie des Originals meiner Promotionsurkunde bei der Anmeldung an der Universität Kapstadt (und das ganze nachdem das Original meiner Promotionsurkunde bereits sicher in einem Umzugskarton in einem Keller an einem geheimen Ort in Deutschland verstaut war). Da können deutsche Behörden durchaus noch was lernen!
 
Interessant gestaltet sich ebenfalls der Transfer eines Teils unseres Haushaltes per Luftfracht. Es war bereits in Deutschland ein nicht ganz einfaches Unterfangen, eine Spedition zu finden, die das für uns macht. Es gibt tausend Dienstleister, die Dir, falls gewünscht, das ganze Haus rund um den Globus schicken und bei denen Du nichtmal Deine Kisten selbst einpacken darfst (einen Möbelpacker lasse ich gewiss nicht unsere Räder in die Kiste verfrachten!). Wenn Du allerdings ein paar lausige Kartons verschicken willst – und noch dazu als Privatperson – sieht es ziemlich düster aus. In Dresden finden sich genau zwei Optionen: DB Schenker und Spedition Kroll. Zu DB sage ich nichts weiter außer dass ich bis heute noch auf ein Angebot von denen warte. Kroll eilt der Ruf voraus, alles zu machen, was kein anderer annimmt. Hier wird uns dann auch kompetent geholfen … wenn da nicht noch die Sache mit dem südafrikanischen Zoll wäre. Alle Versuche im Voraus herauszufinden, was uns diesbezüglich erwartet, scheitern kläglich. Bei meiner ersten telefonischen Bemühung der Kontaktaufnahme mit der zuständigen südafrikanischen Behörde lande ich bei der Einkommenssteuerabteilung, die mir freilich wenig helfen kann. Versuch Nummer zwei wird damit quittiert, dass man mir keine Auskunft ohne AWB-Nummer (Airway-Bill-Nummer) erteilt. Nachdem ich eine solche habe, heißt es pauschal, dass ich einen Verzollungsagenten brauche. Bei der Lektüre der südafrikanischen Gesetze zur Einfuhr und der Zolltarifliste bekomme ich es mit der Angst zu tun, dass unsere Sachen entweder verbrannt oder im Ozean versenkt werden. Letztendlich lautet der Entschluss: Abwarten was passiert. Entsprechend geht’s nach der mutmaßlichen Ankunft der Sendung auf den Flughafen. Mit im Gepäck: Ein Verwandter der Besitzer unseres Hauses, der sich dankenswerterweise bereit erklärt hat, mir zu helfen sowie ein Bakkie (südafrikanisch für Pick-up) in erbärmlichem Zustand. Folgerichtig ist die erste Maßnahme, dass wir von der Polizei angehalten werden, weil ein Nummernschild abgefallen ist. Auf dem Flughafen wird’s die Suche nach dem Passierschein A38 reloaded. Wir weisen uns achtmal (!) an der gleichen (!) Sicherheitskontrolle aus und drehen zwischen vier verschiedenen Stellen Kreise um diverse Stempel, etc. zu holen. Die Beschreibung des Gesamtvorgangs würde den Rahmen hier endgültig sprengen. Ohne die Erfahrung des Einheimischen würde ich sicher heute noch im Kreis laufen. Der Zöllner nimmt es schließlich sehr genau und inspiziert jede Schiene der Holzeisenbahn unserer Kinder einzeln. Dass nur ja kein europäischer Holzwurm eingeschleppt wird. Der Zöllner trieft dabei am ganzen Körper (ich habe mir viel Mühe gegeben beim Packen …). Irgendwann gibt er augenscheinlich dehydriert auf und erteilt die Freigabe.
Die Luftfracht hat Ihren Bestimmungsort erreicht
Als äußerst komplex erweist sich auch das Thema Transport. Für die ersten Tage haben wir einen Mietwagen. Da die Vermietung nichts anderes hat, handelt es sich um einen mit Handschaltung. Linksverkehr hatte mir bisher keine allzu großen Probleme bereitet. Aber mit der linken Hand schalten verleiht dem Ganzen eine andere Qualität. Gewürzt wird das ganze noch mit einem Gaspedal, bei welchem der Unterschied zwischen „kein Gas“ und Vollgas sich auf zwei Millimetern abspielt. Entsprechend gibt es nur zwei Möglichkeiten: Wir starten an der Ampel mit Burnout oder die Karre geht aus. Grundsätzlich hatten wir nach Vorrecherchen schon geahnt, dass der Besitz eines Autos in Kapstadt unabdinglich ist. Diese Ahnung wird bereits in den ersten zwei Tagen Gewissheit. Blauäugig wie ich bin, denke ich, wir gehen zu einem Gebrauchtwagenhändler, suchen uns dort was aus und den Rest (Zulassung, „Roadworthy“=TÜV) klärt der Händler für uns. Das ganze wird zur Lachnummer. Ich fahre 1,5 Tage durch Kapstadt um Autos auszuprobieren. Da sich die Autohersteller nicht einig sind, auf welcher Seite der Blinkhebel anzubringen ist, zeige ich beim Probefahren die Richtungswechsel wahlweise durch Blinken oder Scheibewischen an. Die Autos, die man mir für umgerechnet 5000-6000 Euro andrehen will, würde man bei uns nichtmal für 500 Euro nach Polen loskriegen. Dass die Preise hier aufgrund der Notwendigkeit eines Autos hoch sind, war mir schon bewusst, der Zustand der Autos allerdings nicht. Schließlich stellt sich zu allem Überfluss noch heraus, dass man sich um die Straßentauglichkeit und die Zulassung in der Regel selbst zu kümmern hat. Dazu benötigt man eine „Traffic Registration Number (TRN)“. Diese zu erhalten kann bis zu sechs Wochen dauern. Weitere Recherchen ergeben, dass völlig unklar ist, ob ich mit meinem Visum überhaupt eine TRN beantragen darf. Die Berichte aus dem Internet sind hier uneinheitlich und ich vermute in der Realität ist die Verfahrensweise abhängig von der Laune des Beamten. Anrufe bei der zuständigen Behörden ergeben nichts Brauchbares. Wir lernen: in Südafrika ist es so, dass Du, wenn Du zehn verschiedene Leute aus der gleichen Behörde fragst, zehn verschiedene Antworten bekommst. Unter anderem legt man uns nahe, das Formular BI-1707 mitzubringen. Weitere Recherche ergibt, dass es sich hierbei um einen Asylantrag handelt. Toll. Die pragmatische Lösung: Wir werden wohl von jemandem, der sein Auto eigentlich privat verkaufen wollte, das selbige (formal) mieten … man muss sich eben den Randbedingungen anpassen. Für den Transport der beiden Jungs in den Kindergarten (sie gehen erfreulicherweise sehr gern dorthin) haben wir zwischenzeitlich den mutmaßlich ersten Kinderanhänger in Kapstadt im Einsatz – inklusive Besen zur Erhöhung der Auffälligkeit im Straßenverkehr. Ich hätte nie gedacht, dass unserem uralten Kindercar-Doppelsitzer noch einmal eine solche Aufmerksamkeit zuteil werden würde. Wir haben bisher an keiner Ampel angehalten ohne dass jemand die Scheibe runtergeleiert hätte, um seine Begeisterung zum Ausdruck zu bringen. Häufig werden wir nach Preis und Herkunft gefragt. Vielleicht ist der Import von Kinderanhängern eine gewinnversprechende Marktlücke!? 
Die erste Fahrt zum Kindergarten
Ein weiteres zentrales Thema stellt die Möblierung unseres Hauses dar. Hätte eine ansonsten vergleichbare Alternative bestanden, hätten wir uns natürlich für die möblierte Variante entschieden. Aber die Möblierungsaktion ist auch nicht schlecht: so lernt man gleich Land und Leute kennen. Allerdings brauchen wir eine Woche bis wir alle ein Bett haben und nicht mehr auf dem Fußboden respektive der Küchenanrichte speisen. Hinsichtlich Waschmaschine finden wir ein Inserat auf Gumtree (südafrikanisches Ebay-Kleinanzeigen-Äquivalent), welches lautet: „Old washing machine for sale, wife decided we needed a twin tub, so I got one for her“. Das klingt ausgesprochen seriös, also entscheiden wir das Ding zu kaufen. Als ich es abholen will, begrüßt mich erstmal „stink dog“, der mich ableckt. Der Besitzer und Waschmaschinenverkäufer erklärt mir, dass es nix bringt den Hund zu waschen, weil er hinterher noch mehr stinken würde. Hier hätte ich vielleicht lieber misstrauisch werden sollen. Trotzdem nehme ich die Waschmaschine mit. Beim Anschließen der Waschmaschine gibt das Warmwasserventil an der Wand den Geist auf (Waschmaschinen werden hier tatsächlich mit Kalt- und Warmwasser betrieben), woraufhin der Raum unter Wasser steht. Eine nähere Inspektion der Waschmaschine ergibt, dass diese innen genauso stinkt wie „stink dog“. In Kombination mit obiger Aussage des Waschmaschinenverkäufers, liegen die Schlussfolgerungen nahe, dass (1) der Hund in der Waschmaschine – ggf. unter Einbeziehung der „Samsung Wobble Technology“ – gewaschen wurde und (2) nicht die Waschmaschine wegen des Hundes stinkt , sondern der Hund wegen der Waschmaschine. Unklar bleibt jedoch, weshalb die Waschmaschine so stinkt. Wir entscheiden uns schließlich für einen „Eco Tub clean“. Das klingt gut und ökologisch. Dumm nur, dass dieses Programm offenbar vorsieht, dass die Waschmaschine geschätzte 50 Mal randvoll mit Wasser gelassen und anschließend wieder abgelassen wird. Ein kurzer Überschlag ergibt, dass eine Trommel ca. 60 Liter fasst. Mit „Level-Five-Water-Restrictions“ folgt, dass wir mit der ganzen Maßnahme ein Drittel unseres monatlich zugelassenen Wasserverbrauchs ausschöpfen würden. Also nix „Eco Tub clean“, sondern große „Sch****“. Es bleibt keine Alternative, als mit extra viel Waschmittel zu waschen, damit wir nicht alle wie „stink dog“ riechen. Sensationell sind auch unsere Vorhänge, die wir bei Woolworths erstehen. Getreu unserem Wochenmotto #1 „Sort price from low to high“ nehmen wir nämlich die billigsten. Die müssen ja nur ein Jahr halten. Dumm nur, dass sich diese daheim als faktisch transparent herausstellen. Damit wären wir auch schon bei Wochenmotto #2: „Wer billig kauft, kauft zweimal“. Siehe auch der Besen, der jetzt sein Dasein am Fahrradanhänger fristet.
 
Nach den anfänglichen Wirren zieht nun aber langsam Ruhe ein. Am Freitag war ich das erstmal richtig an meinem Arbeitsplatz an der Uni. Die Mountainbike-Trails im Umland wurden bereits einer eingehenden Exploration unterzogen, wobei Laura mit ihrer ausgeprägten Schlangenphobie natürlich gleich Freundschaft mit einer Puffotter geschlossen hat. Wenn nächste Woche noch die Sache mit dem Auto klappt, sind wir endgültig „settled in“. Respekt vor jedem der diesen Satz noch liest.
 
Anbaden im Atlantik
Chapman's Peak Drive
Die nördlichste Pinguinkolonie der Welt
Unser Schlafzimmer: Gefängniszelle mit Ausblick
Waterfront #1
Waterfront #2