Samstag, 28. Dezember 2019

Liegen geblieben reloaded

(Fast) pünktlich zu Weihnachten wollen wir uns mal wieder melden. Den zur Tradition gewordenen Einstieg zu unserem liebgewonnenen schwedischen Pflegekind gibt es heute wohl zum letzten Mal, denn dieses wartet auf seine Verschrottung. Ein gebrauchter Motor ist nicht aufzutreiben und außerdem wäre das ohnehin die Katze im Sack. Der Preis eines neuen Motors übersteigt dagegen deutlich den Zeitwert des Elchs, sodass das auch nicht infrage kommt. Die Hoffnung, die Werkstatt wenigstens für den Zeitwert haftbar zu machen, haben wir nach Konsultation eines Anwalts ebenfalls aufgegeben. Im besten Fall würde sich der Prozess Jahre hinziehen und die mögliche Bandbreite bzgl. des Ausgang läge vermutlich zwischen wir landen wegen Verleumdung im Bau und die Werkstatt muss uns jährlich einen Neuwagen bezahlen. Insofern fällt die Sache in die Kategorie Pech gehabt (und jede Menge Geld des deutschen Steuerzahlers verbrannt). Die spannende Frage bleibt, ob unser Mietwagen bis Ende März durchhält. Es handelt sich hierbei um eine ziemlich klapprige Karre aus Rüsselsheim, die mittlerweile schon zweimal liegen geblieben ist. Echte Alternativen scheint es allerdings bei unserem Anforderungsspektrum - irgendwie müssen ja fünf Leute und zwei Fahrräder mitkommen - auch nicht zu geben (nein, ich will kein SUV; nein, ich will keinen Toyota Hilux; und nein, ich will auch nicht zwei Hyundai Datsun!).
Auch der Neue aus Rüsselsheim hat so seine Macken (hier: spontaner Zerfall)
Zwischendurch sind wir auch mal 'nen alten Dreier gefahren (die analoge Verbrauchsanzeige ist der Hammer!)

Damit ist aber auch schon das vorläufige Ende der Hiobsbotschaftenliste erreicht. Nach dem Einschalten des „Public Protector“, einer Art staatlichen Beschleunigungsstelle für nicht funktionierende Behörden (die ihrerseits allerdings auch nicht ganz optimal funktioniert), erhielten Emil und ich schließlich doch noch Visa. Emil darf dabei sogar bis Oktober 2022 bleiben, warum auch immer. Letzteres Resultat ist symptomatisch für bürokratische Vorgänge in Südafrika. Meine Beobachtung ist, dass die grundsätzliche Gesetzeslage und die theoretischen bürokratischen Abläufe hier in den meisten Dingen ähnlich wie in Deutschland sind. Der Unterschied ist aber, dass der praktische Ablauf und Ausgang eines bürokratischen Vorgangs in Deutschland einigermaßen definiert ist, währenddessen er hier völlig ungewiss ist. Insofern werde ich als guten Vorsatz aus Südafrika mitnehmen, mich nicht mehr über deutsche Bürokratie zu beschweren. Mal sehen, wie lange ich das durchhalte …

Ebenfalls erfolgreich durchgeführt haben wir den Umzug in eine andere Wohnung. Von dieser aus lässt sich nun praktischerweise der Kindergarten von Emil und Paul zu Fuß zu erreichen. In punkto Wohnungsgröße haben wir uns zwar wieder unserem Dresdner Zustand angenähert. Allerdings, und auch das ist eine gewinnbringende Erkenntnis, ist das gar nicht schlecht: Zwar war das alte Haus sehr schön und wir haben den großen Garten genossen. Allerdings ist die Effizienz der täglichen Abläufe auf 80 Quadratmetern doch signifikant gegenüber der in einem zweistöckigen Haus erhöht.

Im November statteten wir unserer alten Wohnung noch einige Besuche ab, um ein paar verkaufte Möbel abholen zu lassen, sowie einige Kartons zu holen, für die wir aufgrund der kleineren neuen Wohnung erst Lagerfläche organisieren mussten. Dabei stellten wir bereits beim ersten Besuch fest, dass sich ein Eichhörnchen hinterm Kamin eingemietet hatte. Es wollte wohl den Leerstand des Hauses zwischen unserem Auszug (Ende Oktober) und dem Wiedereinzug der Hauseigentümer (Anfang Dezember) verhindern. Wie das Eichhörnchen ins Haus kam, ist etwas unklar; aber ich habe den Schornstein im Verdacht, über den wir im Winter einen massiven Wassereinbruch ins Haus hatten. Zwar wurde dieser repariert. Aber was heißt das hier schon. Schließlich floh das Eichhörnchen als ich die Wohnungstür öffnete direkt in das tennisballgroße Loch im Gemäuer unter dem Kamin, durch welches das Wasser damals eindrang. Nun führt dieses Loch meiner Vermutung nach in einen Hohlraum hinter dem Kamin, der einbaubedingt dort vorhanden sein dürfte. Und diesen hatte, so die Hypothese, das Eichhörnchen als seinen neuen Kobel auserkoren. Als Nahrungsquelle diente offensichtlicherweise unter anderem die Verkabelung vom WLAN-Router; und als Toilette das Sofa, welches wir eigentlich noch verkaufen wollten. Wir versuchten verschiedenste Dinge, um das Eichhörnchen wieder aus seinem Loch hervorzulocken. Allein, es half nichts. Schließlich zogen wir wieder ab und ließen aber die Tür neben dem Kamin einen Spalt breit offen. Wir gaben dem Hausherrn bescheid, der schon in Kapstadt war, aber ohne den Rest seiner Familie noch nicht einziehen wollte und daher bei Verwandten verweilte. Dieser inspizierte dann die Sache am Abend, stellte weder Eichhörnchen noch Handlungsbedarf fest und schloss die Tür wieder. Die Kabel vom Router hatten sich sicher selbst zerbissen. Als wir ein weiteres Mal der Wohnung einen Besuch abstatteten, war das Eichhörnchen immer noch da, denn es floh wieder direkt beim Türöffnen ins Loch. Wir gaben nochmals bescheid, dass es wohl günstiger wäre, die Tür offen zu lassen (dank Sicherheitsgitter wäre das mit geringem Risiko möglich gewesen), waren aber nicht in der Lage, den Ernst der Lage zu vermitteln. Ich malte mir mittlerweile lebhaft aus, wie man den gemauerten Kamin komplett entfernen müsste um den Kadaver des verhungerten Eichhörnchens zu entfernen. Als wir schließlich Ende November ein letztes Mal in der Wohnung waren, um noch die letzten Kartons zu holen, war schließlich kein Eichhörnchen mehr aufzufinden. Dafür drang aber ein starker, nicht gerade angenehmer Geruch aus dem Loch im Gemäuer am Kamin. Wie die Sache nun nach dem Einzug der Eigentümer am nächsten Tag ausgegangen ist, weiß ich nicht … und ehrlich gesagt will ich es auch nicht wissen. Aber vermutlich hat es sie nicht furchtbar angehoben. Die Südafrikaner sind solche Dinge gewohnt und tiefenentspannt. Wenn man mal einen Kamin wegen eines Eichhörnchens entfernen muss, dann ist das halt so.

Ein günstiger Nebeneffekt des Umzugs war es auch, dass wir unser Jahrhundert-Bauwerk Mauer endlich losgeworden sind. Damit sollten dann auch die Probleme mit dem Tor behoben sein … meinten wir jedenfalls. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne den neu installierten Motor des Tores an der Einfahrt des neuen Hauses gemacht. Es stellte sich schnell heraus, dass dieser ein unergründliches Eigenleben hatte und das Tor nach Lust und Laune spontan öffnete. Da kann man Tor und Mauer natürlich auch gleich wieder weglassen. Am Ende waren die „Torfachleute“ dreimal da und jedes Mal der Überzeugung das Problem definitiv behoben zu haben, was sich selbstredend stets als Illusion entpuppte. Letztendlich wurde dann ein Kompletttausch vorgenommen und seitdem scheint an dieser Front erstmal Ruhe eingekehrt zu sein.

Ein interessanter Aspekt ist auch, dass das neue Haus hin und wieder mit uns redet. Die Ursache scheint zu sein, dass jemand drei Häuser weiter einen Brunnen gebohrt hat, woraufhin sich jetzt alle Grundstücke in der näheren Umgebung absenken (Berichten zufolge kam im Zusammenhang mit der Brunnenbohrung bei uns auf dem Grundstück der Schlamm aus dem Boden gespritzt …). Ich hoffe, der Statiker, der unser Haus anschließend freigegeben hat, versteht etwas von seinem Fach. Ich beobachte die Risse im Gemäuer sicherheitshalber mal kontinuierlich. Desweiteren redet man nachts (schnarchenderweise) lautstark mit uns von nebenan. Wir sind uns bisher nur nicht so ganz im Klaren, ob es der Nachbar selbst ist oder vielleicht sein Hund.

Ansonsten gab es mal wieder gehäuft Load-Shedding, weil Eskom auf unerklärliche Weise ein Drittel seiner Nennstromerzeugungsleistung abhanden gekommen war, die man letzten Endes auf genauso unerklärliche Weise wiederfand. Die Fußnote dabei ist, dass eine ganze Reihe Häuser abgebrannt sind, weil die altertümlichen Elektroinstallationen die plötzliche Wiederkehr der Elektrizität nicht verkraften. In Anbetracht des Sicherungskastens in unserem neuen Hauses haben wir diesbezüglich auch etwas gezittert …

 
Ich weiß nicht, ob man in Europa darüber lachen kann - wir haben jedenfalls auf dem Boden gelegen (Hinweis: Load Shedding findet in verschiedenen "Stages" statt, wobei mit höherer Nummer die Dauer und Häufigkeit des Load Sheddings zunimmt. Stage 6 ist die höchste Stufe, und es gab in Kapstadt jetzt das erste Mal Stage 5.)

Natürlich haben wir auch wieder das ein oder andere Radrennen absolviert. Das ganze allerdings weitestgehend ohne nennenswerte Zwischenfälle bei Zeitmesstechnik und dergleichen. Das einzige Kuriosum, was mir jetzt spontan einfällt, ereignete sich bei einem zweitägigen Etappenrennen in Stellenbosch, welches ich als Trainingsmaßnahme nutzte. Am Start der ersten Etappe war niemand in Sicht, der mir unter Normalbedingungen hätte gefährlich werden können. Ich setzte mich nach dem Start eher ungewollt ab und ging mit etwas Vorsprung in den nicht ganz unbekannten Armageddon-Trail. Auch wenn ich es ruhig angehen ließ, überraschte es mich doch einigermaßen am Ende des Trails jemanden hinter mir zu hören. Also gab ich am unmittelbar folgenden längeren Anstieg kräftig Gas, denn wer der Konkurrenz einmal ohne größere Mühe davon fährt, tut es auch zweimal. Aber denkste. Ich begann so langsam auf ein E-Bike hinter mir zu tippen. Als ich den Kerl schließlich von hinten zu Gesicht bekam, stellte ich fest, dass sich der Dritte der diesjährigen MTB-Marathon-Weltmeisterschaften als Erlkönig ins Feld geschlichen hatte. Im weiteren bildeten wir eine trainierende Interessengemeinschaft, bis er sich schließlich einen Kilometer vor Schluss der besseren Tarnung wegen in den Graben setzte um das Rennen später unerkannt zu beenden. Was hätte Obelix gesagt? Die … die Italiener.

Großartige Weihnachtsgefühle sind im Übrigen auch dieses Jahr nicht aufgekommen. Aber immerhin haben wir uns beim Heiligabendessen von Tiefkühlpizza zu selbstgemachter Pizza verbessert …

Unser Weihnachtsbaum (hat Emil im Kindergarten gebastelt)
So, und eigentlich sollte der Blog hier enden.. Denn ich hatte bis hierhin geschrieben und wollte den Blog gestern Abend online stellen. Das bot sich an, denn ich wollte für ein Mountainbike-Rennen zum Kap Agulhas (hatte ich letztes Jahr schon bestritten) fahren. Hierfür hatte ich von gestern auf heute eine Unterkunft dort gebucht und wollte gestern Abend anreisen, da, wie schon früher mal erwähnt, die Rennen hier immer sehr zeitig starten und ich wenig Motivation hatte, nachts um drei aufzustehen. Und da erschien der Abend in der Unterkunft ohne Familie geeignet, den Text mit Bildern zu versehen und das ganze online zu stellen. Nur kommt es ja immer anders als man denkt. Ich hatte bei der Abfahrt in Cape Town noch zu Laura gesagt, dass ich heute gegen drei zurück bin, sofern unsere Karre aus Rüsselsheim nicht aufgibt. Es war natürlich ein dummer Fehler, es zu beschreien. Mitten in der Pampa und 50 Kilometer vom Ziel entfernt, bewahrheitete sich der Spruch, an den ich mich aus Schulzeiten erinnere: „OPEL - Ohne Power Ewig Letzter“. Die Leistung war plötzlich weg und schließlich der Ofen endgültig aus. Selbstverständlich geschah dies auf einer wenig befahrenen Straße kurz vor Einbruch der Dunkelheit und in einer Region Südafrikas, die für nicht vorhandenen Handyempfang bekannt ist. Welch ein Glück, dass der Rest der Familie nicht noch dabei war. Gut auch, wenn man ein Fahrrad im Kofferraum hat. Damit konnte ich wenigstens auf die Suche nach Handyempfang gehen, was schließlich auch erfolgreich war. Unser Autovermieter, der ein ausgewanderter Deutscher ist, erwies sich als wenig hilfreich. Er wurde kurz vorher vom Auto angefahren und war offensichtlich auch etwas „neben der Spur“. Aber es ist schon blöd, wenn Du als Autovermieter keinen Notfallplan für solche Vorfälle hast. Afrika. Am Ende organisierte Laura für mich einen Abschleppdienst. Der eigentliche Abschleppvorgang war für europäische Verhältnisse abenteuerlich, da sich dass Abschleppfahrzeug in miserablem Zustand befand. Bei meinem Glück mit Autos, argwöhnte ich schon, dass die Gurke auch noch liegen bleiben und wir einen Abschleppdienst für den Abschleppdienst brauchen würden. Zum Glück trat dieser Fall nicht ein. Das Fahrzeug wurde an einer Werkstatt abgeladen. Mein Fahrrad kam mal wieder auf den Abschlepptruck und damit ging es dann zur Unterkunft, welche ich spät abends erreichte. Mein Plan war nun, früh morgens mit dem Rad die 30 km zum Start zu fahren, das Rennen zu absolvieren und dann zu hoffen, dass ich jemanden vor Ort finde, der mich und mein Rad danach wieder mit nach Kapstadt zurück nehmen kann. Dass ich mit dem Rad zum Start fahren wollte, gefiel wiederum meinen Gastgebern in der Unterkunft nicht so recht. Sie kannten tatsächlich denjenigen, der die Streckenmarschalls früh zum Start fuhr. Mit ihm machte ich mich schließlich heute früh 5:30 Uhr auf den Weg zum Start. Das Rennen verlief dann glücklicherweise ohne Zwischenfälle und ich konnte es, trotz dass ich sicher nicht meinen besten Tag erwischt hatte, erfolgreich beenden. Die Hoffnung, jemanden zu finden, der mich mit nach Kapstadt nimmt, entpuppte sich leider nach dem Rennen als Illusion. Es sind zwar viele Kapstädter hier, aber die bleiben alle noch für ein paar Tage am südlichsten Punkt Afrikas. Ich muss dagegen zügig heim, denn Montag früh fliegen wir für drei Tage über den Jahreswechsel nach Johannesburg. So bin ich jetzt gerade zurück in der nächtlichen Unterkunft, wo ich darauf warte, dass der Mechaniker vom Autovermieter kommt, um mich abzuholen. Die Kommunikation ist dabei erschwert, da sie ihm gestern sein Handy gestohlen haben und mein Handyakku leer ist (von unseren drei Eierfon-Ladekabeln haben zwei kürzlich aufgegeben und das letzte habe ich Laura hinterlassen, da ich ja nur eine „fixe“ Aktion plante). Laura hat sich derweil mit den Kindern bei Freunden, die gerade in Europa unterwegs sind und deren Fische wir für diese Zeit füttern, eingeschlossen. Klara hat offenbar den Schlüssel während des Fischefütterns in die Hände gekriegt und irgendwo versenkt, womit sich das Tor nicht öffnen und die Haustür nicht schließen lässt. Mal sehen, wie das hier bei mir ausgeht. Sicher ist eins: Der Automechaniker wird mit einer klapprigen Limousine kommen, und ich werde mein Fahrrad in alle Einzelteile zerlegen müssen, um es reinzukriegen. Ich hoffe die Laufräder müssen nicht ausgespeicht werden. Wie ihr seht, haben wir gerade mal wieder einen Lauf. In diesem Sinne wünsche ich Euch schonmal für‘s neue Jahr, dass Murphy Euch verschont! Und damit bis zum nächsten Mal.

 
Bewegte Bilder vom Wines2Whales (die Aufnehmerin des Videos hat sich im Übrigen letzte Woche beim Training mit Julien und Pauline derart zerlegt, dass sie als Partnerin für Laura fürs Tankwa Trek ausfällt und wir jetzt händeringend Ersatz suchen)

  Emil übt auch schon

Was passiert, wenn man nachts nicht geschlafen hat

Erdbeerpflücken

Und das geschieht, wenn man mit einem Laster voller Bierflaschen zu schnell um die Kurve fährt.

Der Ansatz ist ja gut ... nur leider ist es nicht die Sonnencreme, sondern die für den Hintern.

Klara ist der Meinung, dass Schlafanzugshosen auf den Kopf gehören.

Mit geeigneten Trainingsstätten steigen auch die Fähigkeiten (beim Betrachten des Schattenwurfes, wird es Euch vielleicht auch ein bisschen warm)

Eine Mole-Snake (harmlos)

Kampf der Schildkröten







Samstag, 5. Oktober 2019

Liegen geblieben

[Vorbemerkung: Der Hauptteil des Blogs wurde vor zwei Wochen geschrieben; aber die Veröffentlichung hat sich dann doch noch etwas hingezogen. Die zeitlichen Zusammenhänge könnten deshalb etwas verwirrend sein ;)]

Mehr als zwei Monate war es ruhig hier. Nicht etwa, dass es nichts zu berichten gegeben hätte – im Gegenteil: es war soviel los, dass einfach keine Zeit fürs Blogschreiben geblieben ist. Gerade eben passt es ganz gut, da ich ohnehin mit dem Elch 400 Kilometer von Kapstadt entfernt liegen geblieben bin und darauf warte, dass sich mal jemand die Kiste anschauen kann. Gut dass unser Pflegekind nicht dreimal in der Werkstatt war seit dem letzten Blog. Zum Brake Assist Service gesellte sich recht bald noch ein „Engine System Service Required“ mit dem internen Error-Code 42. Ein Handtuch ins Auto zu legen sowie zwei Werkstattbesuche brachten nichts, letztlich konnte ich aber nach einigem googeln die Verdachtsdiagnose eines defekten Bremspedalpositionssensors stellen. Keine Ahnung was das nun mit Engine System Service Required zu tun hat, aber was soll‘s. Als sich wenig später massive Fehlzündungen im Leerlauf zur Krankheitsgeschichte gesellten, begab ich mich nochmal auf die ernsthafte Suche nach einem Volvo-Spezialisten in Kapstadt. Dieser Versuch war zumindest teilweise erfolgreich, denn die gefundene Werkstatt, wenngleich ziemlich weit von uns entfernt, machte einen recht kompetenten und organisierten Eindruck. Meine Verdachtsdiagnose des defekten Bremspedalpositionssensors wurde dort bestätigt, und eine verschmutzte Drosselklappeneinheit als Ursache für die Fehlzündungen ausgemacht. Weiterhin wurde ermittelt, dass Anfang des Jahres falsche Bremsbeläge eingebaut wurden. Wie man es schafft, zu kleine Bremsbeläge einzubauen ist mir ein Rätsel. Das Endresultat ist jedenfalls, dass die ebenfalls gewechselten Bremsscheiben nicht einmal den ersten Satz Bremsbeläge überlebt haben und jetzt eine tellerförmige Gestalt aufweisen. Afrika. Nach dem Werkstattbesuch lief der Elch immerhin für kurze Zeit recht gut und fehlerfrei, und dieses Wochenende [welches zur Zeit der Veröffentlichung des Blogs schon wieder zwei Wochen zurück liegt] wagte ich mich mit ihm auf die Reise in Richtung Garden Route, um das mit 4500 Teilnehmern gar nicht mal so kleine Mountainbike-Rennen „Karoo to Coast“ von Uniondale nach Knysna in Angriff zu nehmen. Da die Entscheidung zur Teilnahme kurzfristig fiel, war auch die Organisation der Maßnahme gar nicht mal so einfach. Letztlich sah der Plan so aus: Samstagnachmittag Anreise ins 100 Kilometer von Uniondale entfernte George, Übernachtung, Sonntag 0400 Start in Richtung Uniondale, dort Abholung der Startunterlagen und Übergabe des Elchs an jemanden, der das Auto von Uniondale nach Knysna befördert, 0730 Startschuss, 1100 Ankunft mit dem Rad in Knysna, 1300 ggf. Siegerehrung und unmittelbare Rückreise in Richtung Kapstadt. Ohne Kinder an Bord kann man so eine Nacht-und-Nebel-Aktion schon mal starten; als man noch jünger war, hat man das ja noch regelmäßig gemacht. Natürlich kam es anders als geplant. Bereits die Übergabe des Autos wurde zum Nervenkitzel, da der Fahrer verspätet war, sodass ich mich nur noch kurz vor knapp in den Startblock mogeln konnte. Die Tatsache, dass ich das Rennen trotz übelster Witterungsbedingungen (erst im Nachhinein wurde mir beim Blick auf gArmins Daten klar, dass es beinahe glatt geworden wäre) überpünktlich 1049 siegreich beendete, verkommt in Anbetracht der weiteren Geschehnisse zur Randnotiz. Im Ziel verriet mir der Blick aufs Eierfon, dass der Elch 30 Kilometer von Uniondale entfernt liegen geblieben war. Da ich sowieso schon befürchtete, dass er es nicht pünktlich bis Knysna schafft, hatte ich eine Notfall-Tasche mit Jacke, Mittagessen, usw. über den Gepäcktransport des Veranstalters mitgegeben. Dumm nur, das Letzterer auch nicht wirklich pünktlich das Ziel in Knysna erreichte. So klapperte ich dann im Ziel für 45 Minuten in einer Art- und Weise, wie es mir bisher erst einmal passiert ist (es war eine recht schneereiche Austragung des Erzgebirgsradrennens in Markersbach – ich erinnere mich wie mein Bruder und ich damals eine halbe Stunde brauchten uns Umzuziehen, weil wir weder Gefühl in den Fingern noch Positioniergenauigkeit mit denselben vorzuweisen hatten). Nachdem die Siegerehrung wegen anhaltenden Unwetters inklusive Gewitters abgeblasen wurde, musste der sonntägliche Rücktransport des Elchs nach George organisiert werden. Man kann in Südafrika ja kein Auto irgendwo im Nirgendwo nachts an der Straße stehen lassen. Hier erwies sich die Hilfsbereitschaft des Fahrservices, der ja nun wirklich auch nichts für die Situation konnte, als sehr hilfreich. Mich brachte jemand dankenswerterweise ins 25 Kilometer von Knysna nach Sedgefield, wo meine Habseligkeiten inklusive meines Fahrrades auf den Abschlepplaster verladen wurden. Von dort aus ging es, nur mit einer groben Angabe über seinen Aufenthaltsort ausgestattet, auf die Suche nach unserem Pflegekind. Diese verlief zum Glück erfolgreich. Natürlich konnte man den Elch zum Sonntag bei keiner Werkstatt abladen, also musste er erstmal auf den Parkplatz der Pension, die ich kurzfristig noch gebucht hatte. Als ungünstig erwies sich, dass die Parkplatz-Einfahrt derart stark anstieg, dass der Abschlepplaster aufsetzte. So blieb nur draußen abladen und schieben. Mit viel Schwung und unter Mithilfe des Personals der Pension gelang die Harakiri-Maßnahme nach einigen Fehlversuchen. Der Bezahlvorgang für das Abschleppmanöver erwies sich als nächste Hürde. Blöderweise hatte ich die falsche Kreditkarte einstecken – nämlich die mit der man am Geldautomaten kein Geld abheben kann. Man bestand dann darauf, dass ich sofort eine Überweisung durchführe – allerdings von einem südafrikanischen Konto ausgehend. Schlecht dass wir mit unserer temporären Aufenthaltserlaubnis gar nicht berechtigt sind, ein südafrikanisches Konto zu führen. Letztlich fand sich ein südafrikanischer Freund, der aus dem Urlaub heraus die Überweisung für mich tätigte und den Beleg dafür per E-Mail sendete. Heute morgen nun brauchte ich den Abschleppservice erneut, um den Elch zur Werkstatt zu befördern. Dies gelang ausnahmsweise einmal reibungslos. Die benötigte Geldmenge hatte ich zum Glück noch bar im Portmonaie. [… jetzt schaut sich endlich einer die Kiste an … das Resultat ist derart erschütternd, dass ich das Weiterschreiben des Blogs später fortsetze …] Als der Elch auf der Bühne ist, wird erstmal geschaut, ob sich am Motor noch was dreht. Ein vielleicht 60 cm langer Hebel samt daran hängender Person führt allerdings zu keinem Millimeter Bewegung. Also Ölwanne ab und das Unglück bestaunen. Drinnen viel Schmodder, viele, viele Metallspäne, alle fünf Pleuel von der Hitze tiefschwarz, eines davon zerlegt, die Pleullager weggeschmolzen, die Kurbelwelle sieht folglich auch nicht mehr so richtig gut aus, die Überprüfung ob sich die Kolben noch bewegen erübrigt sich bei dem Befund. Die Beschau des Motoröles bzw. besser gesagt des Ölschlamms legt nahe, dass der letzte Motorölwechsel LAAAAANGE zurückliegt. Der Ölfilter sieht aus wie ein volles Kaffeesieb – was hier passiert ist, ist wahrlich kein Wunder. Jetzt kommt‘s aber: Der Elch hat zumindest formal eine lückenlose Service-Geschichte und war am 3. Juli 2019 zum Service inkl. Ölwechsel in der Werkstatt. So sagt es jedenfalls die Rechnung. Dass dort ein 15W40-Motoröl aufgelistet ist (Volvo schreibt 0W30 oder 5W30 vor), ist bestenfalls ein Schönheitsfehler. Denn, so sagte man mir einstimmig, selbst damit wäre dieser katastrophale Befund nicht zu erklären. Es sieht also ganz so aus, als sei der Elch durch Unterlassung heimtückisch ermordet worden. Wir bereiten uns schon mal moralisch auf den vermutlich bevorstehenden juristischen Marathon vor. Ich habe in meinem Leben noch keinen Rechtsanwalt gebraucht. Aber hier könnte es so weit sein. Ob unser Pflegekind bis zur geplanten Abreise Ende März wiederbelebt wurde, darf bezweifelt werden …
[Anmerkung zwei Wochen später: Gestern ist Laura mit dem notwendig gewordenen Mietwagen liegen geblieben …]




Abschleppservice fürs Rad ...

... und dann ist der Elch dran.
Als ob die Auto-Panne nicht schon genug gewesen wäre, teilte mir Laura am selben Tag noch mit, dass unser Tor mal wieder nicht auf und zu geht – man ahnt es schon, unser Jahrhundert-Bauwerk Mauer hat noch immer keinen zufriedenstellenden Endzustand erhalten. Nach der vorübergehenden Fertigstellung dauerte es genaue einen Starkregen, bis die neu errichtete Mauer nach innen beulte und das Eingangstor blockierte. Sowas passiert, wenn man Beton nicht ordentlich trocknen lässt und noch dazu die Mauer eine Rückhaltemauer für den höher gelegenen Garten darstellt. Die darauf folgende nähere Inspektion förderte eine elf Punkte umfassende Baumängelliste zutage, für die Dilettantismus noch ein recht milder Ausdruck ist. Weitere investigative Untersuchungen des Bruders der Hauseigentümer ergaben letztlich, dass Versicherungsgutachter (die Mauer war versichert) und Bauunternehmer ein und dieselbe Person mit zwei Unternehmen sind. Da muss man  natürlich über den Pfusch am Bau nicht besonders überrascht sein … wie dem auch sei, es blieb nichts anderes, als die neu errichtete Mauer wieder abzureißen und noch einmal zu errichten. Dabei wurde jeder einzelne Ziegel recycelt, denn eines Tages rückte ein Trupp Tagesarbeiter an, um die Mauer Stein für Stein abzutragen und jeden Ziegel einzeln vom Zement zu reinigen – ein Ausdruck dessen, dass Arbeitskraft für einfache Arbeiten in Südafrika praktisch nichts kostet. Aus dem gleichen Grund verrichten hier auf Baustellen 20 Arbeiter mit Hacke und Schaufel die Arbeit eines Baggerfahrers mit seinem Bagger. Was unsere Mauer betrifft, ist der Wiederaufbau vom Wiederaufbau, wie das Resultat des festsitzenden Tores anzeigt, offenbar immer noch nicht frei von Pfusch. Hier können selbst die Macher eines in der Umsetzung befindlichen, nahe der deutschen Hauptstadt gelegenen Großflughafens noch etwas lernen. Mittlerweile bin ich auch sicher, dass wir die Fertigstellung der Mauer nicht mehr erleben werden. Denn zu allem Überfluss hat man unserem Wohnungseigentümer in den Niederlanden unangekündigt den Job gekündigt. Dies wiederum bedeutet, dass die Familie kein Visum mehr erhält, schon bald zurückkommen und wir gerade damit beschäftigt sind eine neue Wohnung zu finden und umzuziehen.

Damit ist auch schon der Bogen zum Thema Visum gespannt. Ich hatte ja geunkt, dass am wir am Ende alle Visa haben, während Klara ohne da steht. Nun, es kam auch hier anders als ich dachte: Klara hat ihr Visum, genau wie Laura und Paul. Emil und ich stehen dagegen bisher ohne da. Irgendwie sind unsere Anträge in Pretoria verloren gegangen. Jegliche Anfragen beim Department of Home Affairs haben bisher nichts Nützliches hervorgebracht  und mit den jedes Mal anderen und stets widersprüchlichen Aussagen könnte man allein einen vermutlich ziemlich belustigenden Blog füllen. Mittlerweile fallen zwei der drei im Internet aufgelisteten Telefonnummern des Departments unter die Kategorie „This number does not exist“. Ich denke, Laura war denen einfach zu penetrant mit ihren ständigen Nachfragen und es ist nur noch eine Frage der Zeit bis auch die letzte Nummer offline geht. Immerhin haben wir mittlerweile rausgefunden bzw. wir meinen rausgefunden zu haben, dass wir mit dem Übermittlungsbeleg des Visumsantrages noch legal im Land sind. Die Fußnote dazu ist jedoch so lang, dass ich sie hier nicht wiedergebe.

Nun aber ein abrupter Schwenk: Es wurde der Wunsch geäußert, dass wir uns mal zur Wasserknappheit in Südafrika äußeren. Als wir in Südafrika angekommen sind, war diese zwar schon nicht mehr im kritischsten Zustand, aber immer noch erheblich. Die uns „zustehende“ Wassermenge war damals glaube ich 50 Liter am Tag pro Person bzw. 1,5 Kubikmeter pro Monat pro Person. Es braucht keine furchtbar drastischen Maßnahmen, um dies einzuhalten. Letzten Endes sind Waschmaschine, Toilette, Dusche/Badewanne die Hauptbeiträge zum Wasserverbrauch. Bei der Waschmaschine lässt sich außer eine Effizientere zu kaufen nicht viel mehr machen, als den „Eco“-Modus zu benutzen und die Klamotten halt zu tragen bis man‘s nicht mehr riechen kann (soweit wäre es mit der letzten „Ausbaustufe“ 20 Liter am Tag pro Person gekommen, nicht aber mit 50 Liter). Für die Toilette wird Duschwasser, Spülwasser, etc. im Eimer aufgefangen und dort wiederverwendet. Dabei ist das Erlernen der richtigen Eimerspültechnik von entscheidender Bedeutung. Außerdem gilt der Grundsatz „Is it yellow, let it mellow, is it brown flush it down“. Desweiteren sind die meisten Toilettenkästen völlig überdimensioniert, was sich im Falle vorhandener Zugänglichkeit einfach durch das Versenken von Wasserflaschen im Toilettenkasten anpassen lässt. Vollbäder sind natürlich nicht mehr regelmäßig möglich (und waren auch verboten). Fürs Sauberwerden beim Duschen braucht man nicht mehr als zwei Minuten, alles andere ist Bequemlichkeit (ok, Frauen müssen sich vielleicht die Haare abschneiden …). Mit all diesen Maßnahmen kommt man auf ungefähr 30 Liter am Tag pro Person; und nichts davon schränkt die Lebensqualität maßgeblich ein, sobald man sich daran gewöhnt hat. Da wir genügend Regentänze aufgeführt und die Kinder ausreichend schlecht gegessen haben, hat sich mittlerweile die Lage in weiten Teilen des Landes aufgrund winterlicher Regenfälle auch stark entspannt. Die meisten Dämme sind nahezu voll. Und selbst jetzt, wo wir es nicht mehr so genau nehmen mit dem Wassersparen, sind wir locker unter 50 Liter pro Person und Tag. Wenn wir wieder zu Hause sind muss ich es mal nachschauen, aber ich glaube selbst dort wird es nicht viel mehr gewesen sein.

Es wäre auch noch viel anderes zu berichten: Von der Reise mit meinen Eltern und Lauras Geschwistern; unserem Abstecher für eine Woche nach Deutschland (Emils Kommentar zu meiner Bemerkung „Wir sind mit einem Airbus geflogen“: „Das war doch keine Erdnuss!“); meinem beim Versuch einen Salat zu Essen abgebrochenen Zahn; dem Kakadu der mir ein Ohr abkaute; dem Eierkuchenverkäufer im Blechkasten, bei dem bei Vergleich von Türgröße und Körperabmaßen völlig unklar war, wie er denselben jemals verlassen sollte, und dem letzten Endes aufgrund unserer Gefräßigkeit Eier und Mehl ausgingen – Zutaten, die wir zufälligerweise im Kofferraum hatten und ihm gewissermaßen verkaufen konnten, damit er uns mehr Eierkuchen macht … aber jetzt muss erstmal gut sein, mein Magen knurrt bei dem Gedanken an die Eierkuchen.


Die Milchstraße ist am südlichen Sternenhimmel deutlich besser zu sehen als am Nördlichen (das helle ist übrigens Jupiter, und irgendwo muss auch Saturn stecken ...)
 
Frühstückseier ...
Kinderrennen für Paul und Emil (Paul ist schon fertig, Emil schiebt sicherheitshalber ins Ziel)

 







 

Montag, 15. Juli 2019

Fatalismus

Wie gewohnt beginnen wir auch heute mit den neuesten Nachrichten zu unserem pflegebedürftigen skandinavischen Familienmitglied. Um wenigstens etwas deutsche Ordnung ins Spiel zu bringen, hatte ich mir vorgenommen, die  duct/duck-tape-Befestigung des linken Außenspiegelglases fachmännisch zu ersetzen. Hierzu wurde extra aus Deutschland EIN Ersatzteil herangeschafft. Man ahnt es schon: es wäre clever gewesen, vor der Bestellung auch mal den rechten Außenspiegel zu prüfen und ggf. ZWEI Spiegelgläser zu ordern. So hat sich nun die Situation dahingehend geändert, dass sich der linke Außenspiegel in tadellosem Zustand befindet, währenddessen das Tape von links nach rechts gewandert ist. Als Belohnung für meine Pflegebemühungen gesellt sich im Laufe des Monats ein ABS-Problem zu den bestehenden Wehwehchen hinzu. Also ab zum Schrauber unseres Vertrauens (haha) und das Problem geschildert. Zurück kommt das Auto von Selbigem mit einer Rechnung über diverse Extras, die nur teilweise so abgesprochen und auch nur teilweise nötig waren. Neuer Kraftstofffilter, Ölfilter, ausgewuchtete Räder, zwei neue Reifen, neue Wischerblätter, etc. Kein Posten auf der Rechnung lässt sich allerdings mit dem ABS in Zusammenhang bringen. Auf Nachfrage ist man etwas verdutzt, macht eine Probefahrt, und ist dann der Meinung, dass alle Probleme behoben seien. Kaum ist die Karre vom Hof, da erscheint der freundliche Hinweis „Brake assistant service required“ im Display. Bei uns würde man die Hände überm Kopf zusammenschlagen bei derartigem Dilettantismus. Wenn man die Story allerdings einem gestandenen Südafrikaner erzählt, erntet man für gewöhnlich ein müdes Lächeln sowie die Erzählung von einer nahezu beliebigen Anzahl von weiteren, ähnlich gelagerten Anekdoten. Als ordentlicher Deutscher muss man hier vor allem eins lernen: Puls runter bringen und die unabänderlichen Fügungen des Schicksals mit stoischer Ruhe zur Kenntnis nehmen … umgangssprachlich nennt man das wohl Fatalismus. Gelegenheit uns darin zu üben hatten wir im vergangenen Monat genug. Zum Beleg dessen schildere ich im Folgenden eine Auswahl an Begebenheiten, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Zunächst einmal beschließen wir Anfang Juni, dass es an der Zeit sei, die etwas eingerosteten und (zumindest bei mir) erste Alterserscheinungen aufweisenden Körper wieder in Schwung zu bringen, wozu sich ein lokales Mountainbike-Rennen aus der Kategorie „Rund um die Mülltonne“ im West-Coast-National-Park anbietet. Der eine oder andere wird sich vielleicht noch daran erinnern: als Laura dort letztes Jahr teilnahm, lief dieses unter der Kategorie „very little sand“. Dieses mal können wir sogar beide am Start Aufstellung nehmen, da mit Lauras Schwester und ihrem Freund praktischerweise eine temporäre Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Da wir beide keine Mitglieder der hiesigen Mountainbiker-Sekte sind, müssen wir uns allerdings aus dem sechsten und letzten Startblock rund zwölf Minuten nach den ersten Startern auf die Strecke begeben. Uns stört das wenig, da es ja wie bereits angedeutet nur darum geht, die Körper aus dem Tiefschlaf zu wecken (sowie uns zwei bis drei Stunden kinderfrei zu ergaunern). Nachdem wir die ersten Kilometer gemeinsam absolviert haben, verabschiede ich mich nach vorn und führe mein persönliches Einzelzeitfahren durch. Offenbar kann ich dies auch in desolatem Trainingszustand noch ganz gut, denn es stellt sich im Nachgang heraus, dass ich die Strecke vier Minuten schneller als die erste Gruppe aus dem ersten Startblock zurückgelegt habe. Aufgrund der durchgeführten Nettozeitnahme befördert mich dies gemäß dem Reglement auf den ersten Platz … so jedenfalls meine Interpretation. Die Realität sieht allerdings so aus, dass ich mit der Begründung einer „impossible performance“ knallhart vom Zeitnehmer disqualifiziert werde. Dies wiederum geht mir dann bei allem Fatalismus so gegen den Strich, dass ich als „Beweis“ meine GPS-Daten zur Verfügung stelle. Im Resultat erhalte ich nach einigem E-Mail-Hin-und-Her einen netten Anruf, dass meine Leistung immer noch als „impossible“ eingeschätzt werde. Nach 15-minütiger Diskussion – der Begriff Argumentation verbietet sich – reißt mir die Hutschnur. Soweit ich mich erinnern kann, schreie ich zum ersten Mal in meinem Leben in einen Telefonhörer und teile der Dame am anderen Ende mit, dass sie doch machen solle was sie für richtig halte und lege anschließend auf. Unter Einbeziehung meiner genetisch bedingten Sprachlautstärke, könnte ich mir vorstellen, dass der Lautsprecher am anderen Ende dabei geringfügig übersteuert … in jedem Fall bin ich hier im Fatalisten-Test mit Note sechs durchgefallen. Zu meiner Rechtfertigung will ich aber noch anführen, dass es die Dame geschafft hat, in punkto scharfsinniger Argumentationsführung die gute Frau von Mobilcom-Debitel zu schlagen, die mir vor Jahren mal voller Überzeugung die mathematische Relation 39,90<29,90 näher bringen wollte. Selbstverständlich entschuldige ich mich im Nachgang per E-Mail höflich für mein Fehlverhalten und lege meinen Standpunkt noch einmal in allen Einzelheiten dar. Weil ich manchmal ein Ar***loch bin, kann ich es mir jedoch nicht verkneifen, die E-Mail in Kopie an zwei weitere Adressaten zu senden, die sich die Zeitnahme-Firma sicher gern als Kunden erhalten will. Die gewünschte Wirkung tritt dann binnen kürzester Zeit ein … (http://results.racetec.co.za/results_by_event.aspx?RID=10858&EN=Yzerfontein%20Cycle%20Experience%202019%20%2878km%29)

Im weiteren Verlauf des Monats Juni erhalte ich eines schönen Nachmittags auf Arbeit den Anruf, dass gerade ein Lastwagenfahrer das Brems- und Gaspedal verwechselt habe und infolgedessen seinen LKW mit der Mauer des von uns bewohnten Grundstücks verheiratet habe. Als ich nach Hause komme, kann ich nur noch die Diagnose „Totalschaden“ zur Kenntnis nehmen – und zwar nicht am Laster, sondern an der Mauer und dem Tor. Hier kann nur noch ein kompletter Abriss und Neuaufbau helfen. Glücklicherweise sind die Vermieter versichert, denn auf Haftpflicht und dergleichen kann man hier ja nicht hoffen. Selbstverständlich wird im Folgenden eine mehrfache umfangreiche Begutachtung des Offensichtlichen nötig. Letztlich gelangt auch die Versicherung zu der bahnbrechenden Erkenntnis, dass hier nicht zu kitten ist. Damit ist die Bahn frei für einen Trupp von rund zehn Bauarbeitern, der die Mauer per feinster Handarbeit endgültig dem Erdboden gleich macht. Arbeitskraft kostet in Südafrika praktisch nichts und niemand würde auf die Idee kommen, hierzu maschinelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der sich im Anschluss bietende Anblick verursacht allerdings selbst bei eingefleischten Kapstädtern Bluthochdruck, Schwindel und Herzrasen. Denn: Wir haben nun keine Mauer und kein Tor mehr; und dies wiederum ist in den Köpfen vieler unausweichlich damit gleichzusetzen, dass man ausgeraubt werden wird. Auch wenn die Lage sicher suboptimal ist, scheint die Prognose dann doch nicht ganz so düster zu sein, denn wir sind nun mittlerweile schon seit zwei Wochen ohne Mauer und haben bisher keine Unregelmäßigkeiten feststellen können. Die typische südafrikanische Arbeitsgeschwindigkeit lässt sich auch durch das in den Ring werfen von viel Personal nur bedingt kompensieren und so zieht sich der Wiederaufbau hin. Bei einer Arbeitszeit von zehn bis drei bleibt zwischen dem Anmischen des Betons, was selbstverständlich per Schaufel auf dem Boden geschieht, und dem Räumen der Baustelle nur Zeit für das Setzen von einer Handvoll von Ziegelsteinen … ich hoffe, dass ich im nächsten Blog die Vollendung des Jahrhundert-Bauwerks bekanntgeben kann ohne dabei doch noch den Verlust des Wohnungsinhalts konstatieren zu müssen.

Nach dem Einschlag

Den eigentlichen Höhepunkt des Monats Juni stellt allerdings die Einreichung unseres Visums-Verlängerungsantrages dar. Im Folgenden werde ich die Geschehnisse stark kürzen und mich nur aufs Wesentlichste beschränken, um den Rahmen nicht vollends zu sprengen. Die beim Antrag lauernden Tücken hatte ich im letzten Blog schon angedeutet, allerdings kommt es ja meistens anders (und vor allem schlimmer) als man denkt. Zunächst einmal muss man sagen, dass auf den ersten Blick die Situation übersichtlich erscheint. Die Antragseinreichungsprozedur ist in Südafrika, wie in vielen anderen Ländern der Welt auch, zum internationalen Dienstleister VFS Global ausgelagert. Letzterer verdient sich mit dem Entgegennehmen und Weiterleiten von Visumsanträgen (die Begutachtung wird natürlich immer noch vom Department of Home Affairs durchgeführt) eine goldene Nase. Für uns werden nur für die Einreichung beispielsweise um die 500 Euro Gebühr fällig. Im Verlaufe eines der Antragseinreichung vorgeschalteten Online-Prozesses bekommen wir eine Checklist, die Auskunft über die benötigten Dokumente gibt. Letztere hängt auch als Anhang dem Immigration Act an und macht daher zunächst einen vertrauenswürdigen Eindruck. Bei näherer Betrachtung ist die Sache aber doch komplex, da die Liste mehr oder weniger lediglich Auskunft über allgemeine Anforderungen gibt. Dass man beispielsweise „ausreichende finanzielle Mittel“ durch originale, mit Bankstempel und Unterschrift versehene Kontoauszüge der letzten drei Monate, welche am Ende des Tages einen durch den Minister festgelegten Betrag x ausweisen müssen, nachweist, muss man schon durch Eigenrecherche herausfinden. Da es im Internet nur bedingt zuverlässige Informationen gibt und das Department of Home Affairs in steter Regelmäßigkeit die Details der Verwaltungsvorschriften ändert, ist dies äußerst mühsam. Abhilfe kann hier das Hinzuziehen einer Consulting-Firma schaffen. Diese Firmen verdienen sich wiederum eine goldene Nase durch das Zur-Verfügung-Stellen von eindeutigeren Informationen. Den Aufwand, die Dokumente herbeizuschaffen, hat man dann selbstredend immer noch. Man erkläre beispielsweise mal einer deutschen Bank, dass man auf jeder Seite gestempelte und unterschriebene Kontoauszüge braucht und versuche dann, diese in endlicher Zeit auf dem Postweg nach Südafrika zu befördern (um Letzteres zum Erfolg zu führen, muss man dafür Sorge tragen, dass die südafrikanische Post nirgends ihre Finger im Spiel hat). Dennoch lasse ich mir ein Angebot von einer Consulting-Firma machen, kollabiere aber beinahe bei Anblick des Kostenvoranschlages. Also wird entschieden, den Vorgang in Eigenregie durchzuziehen. Bei der Erstbeantragung des Visums hat das ja auch schon funktioniert. Nachdem wir schließlich der Meinung sind, alle unsere Unterlagen zusammen zu haben, geht es zu VFS Global. Auf der Fahrt dorthin stellen wir zunächst fest, dass wir zwar viel Papier, aber weder Windeln noch Feuchttücher für Klara dabei haben. Zum Glück sind wir pünktlich, sodass wir noch fix welche kaufen können … denken wir jedenfalls. Dabei haben wir die Rechnung ohne die südafrikanischen Banken gemacht. Denn beim Kreditkartensystem braten diese ihr eigenes Würstchen, was dazu führt, dass hin und wieder keine ausländischen Karten akzeptiert werden, ganz wie man es sich von einem internationalen Zahlungsmittel erwartet. Damit stehen wir etwas dumm an der Kasse, während sich hinter uns eine Schlange bildet. Glücklicherweise findet sich in den Tiefen der Ablagen unseres schwedischen Pflegekinds noch eine kleine Menge Bargeld, mit der sich das Dilemma letztendlich auflösen lässt. Schließlich bei VFS angekommen, äußert Klara eindeutig ihre Meinung zu dem Laden: Diagnose „Sch*** des Jahres“. Mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln haben wir im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun, die Situation unter Kontrolle zu bringen ohne den gesamten Wartebereich zu kontaminieren. Nachdem diese Klippe umschifft ist, darf ich zur Einreichung schreiten. Zunächst wird mir klar gemacht, dass ich ja wohl einen an der Waffel habe, handschriftlich Ergänzungen auf südafrikanischen Formularen vorzunehmen. Tatsächlich hatte ich mir erlaubt, eine Fußnote im Visumsantragsformular zu machen. Nicht weil mir einfach mal danach war, sondern weil ich Konsistenz mit dem Satz herstellen wollte, der da sinngemäß lautet „Ich erkläre hiermit, dass alle Angaben richtig sind“. Dabei hatte ich ganz vergessen, dass die Formulare hierzulande per Definition fehlerfrei sind. Wie dem auch sei, das Verhältnis zwischen mir und der Frau am Schalter ist von da an nachhaltig gestört. Als nächstes erklärt sie mir, dass jede Menge Dokumente fehlen würden. Hierauf kann ich nur (mit finsterer Miene) entgegnen, dass ich penibelst die Checklist abgearbeitet habe, die mir von VFS zur Verfügung gestellt wurde. Daraufhin stellt sie sich tot. Glücklicherweise redet sie noch von Frau zu Frau mit Laura. Schließlich wird der Manager der Filiale herangeholt, der uns nach einer eingehenden Untersuchung bekannt gibt, dass wir aufgrund eines Fehlers im Computersystem von VFS die falsche Checklist bekommen haben. Dies ist etwas merkwürdig, denn die Checklist hängt wie schon gesagt eins zu eins dem Immigration Act an. Es nützt aber alles nichts, denn im Immigration Act steht auch, dass das Department of Home Affairs berechtigt ist, alle erdenklichen Unterlagen anzufordern, nach denen ihm der Sinn steht. Entsprechend stehen wir jetzt mit der Checklist v2.0 da, welche mich dem Nervenzusammenbruch nahe bringt. Da das Department of Home Affairs offenbar nicht in der Lage ist, unsere Anträge gesammelt zu begutachten (ich sehe es schon kommen, dass wir alle Visa kriegen, während Klara ohne da steht), werde ich in den folgenden Tagen unter anderem ca. 100 Seiten Kopien bei der Polizei beglaubigen lassen. Letzterer Vorgang wäre schon einen eigenen Blog wert, aber ich will jetzt endlich zum Schluss kommen. Schließlich reichen wir am nachfolgenden Donnerstag in einem zweiten Versuch unsere Anträge ein. Nach einem zweistündigen Prozedere verlassen wir die VFS-Sauna infolge einer offensichtlichen Fehlregulierung der dortigen Klimaanlage mit hochroten Köpfen. Immerhin sind wir dabei ruhig geblieben und haben damit den Fatalisten-Test endgültig bestanden …

Vor dem ersten Besuch bei VFS
Vor dem zweiten Besuch bei VFS

Gegen die Kälte

Sonntag, 26. Mai 2019

Winterstarre

Kaum zu glauben, dass der letzte Eintrag hier schon zwei oder drei Monate her sein soll (je nachdem ob man den Cape-Epic-Blog mitzählt oder nicht). Aber insgesamt haben wir es auch ruhiger angehen lassen und insofern gab und gibt es nicht viel zu schreiben. Keine größeren Experimente und auch keine Rennen … Winterpause muss sein! Wobei „Winterstarre“ vielleicht der treffendere Begriff wäre, wenn ich das Gefühl in meinen Fingern beim Tippen auf der Tastatur heranziehe. Auch wenn es wenig verständlich erscheinen mag, aber so viel wie diesen Winter haben wir noch nie geklappert. Einfache Ziegelwände, Einfachverglasung sowie hochgradig durchlässige Türen und Fenster tun ihr Übriges. Mein g(Armin) vermeldete mir heute morgen beim Aufbruch zur vormittäglichen Trainingsrunde entsprechend eine Temperatur im Haus von 12 °C. Da hilft selbst der berühmte Sarrazin‘sche Pullover auf Dauer nichts mehr – vor allem wenn man aus dem südafrikanischen Sommer kommt. Die Europäer erkennt man jetzt jedenfalls hier alle an der Jacke, weil die Südafrikaner abgehärtet sind und in weiten Teilen immer noch in der Ganzjahresbekleidung T-Shirt und kurze Hose rumlaufen. Aber genug rumgejammert. Nachdem ich eine knappe Tonne Feuerholz (für umgerechnet 100 Euro) geordert habe, können wir uns und die Kapstädter Luft immerhin abends mittels Kamin aufwärmen.

Wie schon angedeutet, gibt es sonst nicht furchtbar viel Neues zu berichten. Laura kämpft mit ihrer Dissertation und ich mit meinem Projekt. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber es ernährt sich (keine Ahnung woher der Spruch kommt – bei den Eichhörnchen bei uns im Garten sieht das nicht so mühsam aus wenn sie die Eicheln von der Korkeiche fressen und uns mit den Überresten davon bewerfen).

Mein Kahnbein hat sich bisher besser benommen als vorhergesagt und seit dieser Woche bin ich wieder ohne Schiene unterwegs. Alles noch ein bisschen unflexibel das Ganze … aber wenn Klärchen noch dreimal drauf springt, läuft der Laden wieder.

Das Englisch der (beiden größeren) Kinder entwickelt sich so langsam in die Richtung, dass sie über uns lästern können, ohne dass wir es verstehen würden. Sie weisen uns mittlerweile regelmäßig auf inkorrekte Aussprache hin. Während die gute Siri beispielsweise Pauls englische Aussprache einwandfrei versteht, sieht es bei uns trübe aus. Paul: „Siri, spiele Santa Shark von Super Simple Songs!“ - Siri: „Ich spiele Santa Shark von Super Simple Songs.“. Dasselbe bei uns: „ Siri, spiele Santa Shark von Super Simple Songs!“ - Siri: „Ich weiß nicht, was Du mit Centre Shock meinst.“. Soviel dazu.

Das kleinere Kind hatte mit der Metamorphose zum Monodentus (mittlerweile Duodentus) arg zu kämpfen und hält uns auch sonst gut mit Stunts und anderen Eskapaden in Atem. Wie kann man nur auf die Idee kommen, dass ein Kartoffelbovist eine Babymahlzeit wäre?

Den Familienlacher des Jahres, oder vermutlich sogar des Jahrzehnts, habe ich letzte Woche abgedrückt: Will ich doch in einem Uni-Gebäude (in dem ich vorher noch nicht war) auf eine Außenterrasse rausgehen. Ich bleibe kurz vorher noch stehen und wundere mich über den riesengroßen Durchgang. Dann entscheide ich mich aber doch, dass da bloß Luft ist und laufe selbstbewusst los. Es ist natürlich klar, was passiert. Es rummst. Plexiglasscheibe … wie ein Vogel gegen den Wintergarten. Um ein Haar wäre ich zusammen gesackt. Resultat: Viele belustigte Leute, Beule wie beim Baby und eine Woche Kopfschmerzen. Die Fensterputzer haben jedenfalls ihren Job gemacht.

Der Elch sorgt in gewohnter Weise immer mal wieder für Automechaniker-Einsätze. Kabelbinder und Duct/duck-tape sind hier meine besten Freunde.  Wir lassen einfach die Bilder sprechen:



Desweiteren haben wir beschlossen, ein halbes Jahr länger als ursprünglich geplant auf der Südhalbkugel zu verweilen, falls es uns gelingt, die südafrikanische Bürokratie zu besiegen. Den Immigration Act mit all seinen Visumsbestimmungen kenne ich mittlerweile in- und auswendig. Das heißt allerdings nicht, dass ich ihn verstehen würde. Ursprünglich hatte ich es auf mangelnde Kenntnisse in Gesetzes-Englisch geschoben; mittlerweile weiß ich, dass sich Heerscharen von Juristen die Köpfe darüber zerbrechen, wie dieses Unding zu verstehen ist. Offensichtliche Logikfehler, Querverweise zu nicht existierenden Paragraphen, nicht verfassungskonforme Absätze und dazu noch dutzende Verwaltungsvorschriften, die mitunter fix mal den Gesetzestext auf den Kopf stellen. Nächste Woche gehen wir erstmal Thoraxröntgen. Ich frage mich, warum das nicht für alle Südafrikaner einmal im Jahr Pflicht ist. Aber wie dem auch sei, irgendwie werden wir die Visumsverlängerung schon über die Bühne kriegen und dann gibt es sicher noch die Gelegenheit für den einen oder anderen interessanteren Blog als den heutigen ...

Stormers vs. Crusaders ... das Stadion ist fast vor unserer Hautür.
Auch die gibt's hier
Unsere Wandergeschwindigkeit verhält sich proportional zur Schwierigkeit des Geländes (!)
Das ganze Meer voller Cape Fur Seals ... man muss sie nur finden
Sensationelle drei Granatäpfel hat der Granatapfelbaum in unserem Garten bisher produziert. Sie schmecken gut, aber effizient ist das nicht, was der Baum da tut.
Paviane (=Biester)
  

Sonnenaufgang über den Dächern von Cape Town

Wenn es hier alles soviel gäbe wie Proteas ...

Emil wird vier

Sonntag, 17. Februar 2019

Abenteuer-Experiment #2

Wie mittlerweile üblich beginnt auch dieser Blog mit den neuesten Nachrichten bzgl. unseres schwedischen Familienmitglieds. Die Sache mit der Hinterradaufhängung haben wir vorerst nicht weiter verfolgt und unsere Fahrweise einfach angepasst. Bei uns würden wir damit in die Kategorie „Graukappen“ eingeordnet werden. In Südafrika ist es allerdings nichts Ungewöhnliches, wenn einer sein Auto sehr vorsichtig bewegt. Schließlich gibt es hier genügend Leute, deren fahrbarer Untersatz kurz davor ist die Hufe hochzureißen. Aber auch mit gemäßigter Fahrweise ist man vor Überraschungen nicht sicher. So versenkt Laura am vergangenen Freitag beim Versuch das Parkhaus zu verlassen die Fensterscheibe der Fahrertür  unwiederbringlich in derselbigen. Mit offenem Fenster würde ich mein Auto selbst in Dresden ungern stehen lassen und hier in Kapstadt natürlich gleich gar nicht. Es hilft nichts – ich als alter Simulant muss unter die Automechaniker gehen. Es wird die Fahrertür entkernt, um zunächst festzustellen, dass sich die Fensterscheibe unerlaubterweise vom Fensterhebemechanismus gelöst hat. Das macht die Symptomatik des verschwundenen Fensters einigermaßen verständlich. Die Führung des Fensters baumelt willenlos im Inneren der Tür herum, wofür wiederum ein einziger gebrochener Niet verantwortlich ist. Es hat sich vermutlich noch nicht bis Schweden herumgesprochen, dass statisch bestimmte Konstruktionen nicht unbedingt in die Kategorie „fail safe“ fallen. Zum Glück sind beim Aufbau von Melissa & Doug‘s Kiddie‘s Kitchen noch ein paar Schrauben und Muttern übrig geblieben, mit denen sich das beheben lässt -  mit zweifelsohne besseren Festigkeitseigenschaften als vorher. Dummerweise stellt sich im weiteren Verlauf der Reparaturmaßnahme heraus, dass weiterhin – ob nun als Ursache oder Wirkung sei dahingestellt – eine entscheidende Nase an einem 2-Euro-Kunststoffteil irreparabel abgebrochen ist. Wenn man einen 3D-Drucker und einen Zeitüberschuss hätte, ließe sich da vielleicht etwas machen. Leider ist weder das eine noch das andere der Fall. Immerhin gelingt es, das Fenster im geschlossenen Zustand wieder einzusetzen. Bis ein Ersatzteil da ist, wird nun Paul, der hinten rechts sitzt, an den Mautstellen bezahlen müssen …

Vom Simulanten zum KFZ-Mechaniker
Die vergangene Woche verlief in ganz Kapstadt leicht chaotisch. Ursache dafür war, dass „Mr. President“ Ramaphosa in einer Ansprache an die Nation die Aufteilung des südafrikanischen Elektrizitätslieferanten ESKOM in die Sparten „generation“, „transmission“ und „distribution“ angekündigt hat. Dazu muss man wissen, dass ESKOM noch vor nicht allzu langer Zeit internationale Spitze in Sachen effiziente Stromerzeugung aus Kohle war. Der Konzern wurde in den letzten Jahren aber durch Missmanagement zu einem „korrupten Haufen, die Knöpfe drücken ohne zu wissen was sie tun“ heruntergewirtschaftet, wie es ein befreundeter Südafrikaner ausdrückte. Im Kern scheint an der Aussage was dran zu sein. Symbolisch für den Zustand des Konzerns stehen die beiden Mega-Kohle-Kraftwerke bzw. Mega-Kohle-Kraftwerks-Projekte Medupi und Kusile, die nach Fertigstellung zehn Gigawatt zur Verfügung stellen sollten. Sollten, wohlgemerkt. Denn offenbar haben alle internationalen Planer die Hände in Anbetracht der Dimension der Projekte gehoben, weshalb ESKOM Planung und Bau halt selbst in die Hand genommen hat. Der gegenwärtige Zustand lässt sich in die Kategorie Flughafen BER einordnen. Abreißen und vergessen wäre gewiss das wirtschaftlichste Vorgehen. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint eine Neustrukturierung des Konzerns durchaus Sinn zu machen. Selbstredend gefällt das der Arbeitervertretung von ESKOM aber nicht so recht. Und so muss es einen auch nicht wundern, dass drei Tage nach der Ansprache – natürlich rein zufällig – sieben „load generating units“, die zusammen wohl vier Gigawatt Leistung ausmachen, ihren Dienst versagen. Die Folge sind dauernde Stromabschaltungen, die zwischenzeitlich zu heillosem Chaos führen. Da gehen dann in der rush hour, die in Kapstadt sowieso schon übel ist, eben mal in einem ganzen Stadteil alle Ampeln aus. Natürlich ziehen die plötzlichen Stromausfälle allerlei Überraschungen nach sich. Beispielsweise wird das elektronische Zugangssystem an der Universität für einen Tag teilweise lahm gelegt und wir stehen vor der Tür. Hoch lebe der mechanische Schlüssel! Ähnlich sieht es vielerorts aus. Das wirtschaftliche Ausmaß des Schadens will ich gar nicht wissen ...

Und dann war da ja noch das angekündigte Abenteuer-Experiment #2. Laura und ich wollen ja, wie schon mal erwähnt, im März gemeinsam beim Cape-Epic im Mixed-Team starten. 2014 hatten wir das schon mal vor, aber da hatten wir die Rechnung ohne den mittlerweile gar nicht mehr so kleinen Paul gemacht. Fakt ist, dass unser letztes und bisher einziges gemeinsames Etappenrennen mehr als sechs Jahre zurück liegt bzw. lag und wir es daher für vernünftig hielten, im kleineren Maßstab zu testen, ob wir uns noch gemeinsam vertragen. Die Wahl fiel auf das viertägige Tankwa Trek, welches auch ein Großteil der Elite als Vorbereitung auf das Cape-Epic fährt. So sollte es vom 7.-11.2. in die Nähe des nur zwei Autostunden von Kapstadt entfernten Ceres gehen. Die Organisation der Maßnahme gestaltete sich freilich etwas komplizierter als bei Abenteuer-Experiment #1. Über den Veranstalter können wir schließlich ein Wohnmobil organisieren. Für die Kinderbetreuung während des Rennens nehmen wir in bewährter Manier Constance mit. Insgesamt verläuft die Anreise erfreulich unauffällig, mit Ausnahme der Tatsache, dass der halben Mannschaft im hinteren Teil des Wohnmobils schlecht wird. Vor Ort angekommen, müssen wir allerdings feststellen, dass sich Paul ohne Schuhe ins Wohnmobil gemogelt hat. Ersatz haben wir auch nicht mit. Das ist zum ersten ungünstig, weil die Außentemperatur über 40 °C beträgt und barfuß auf Sandboden da nicht mehr so gut ist. Zum zweiten ist alles voller Dornen, was ebenfalls barfuß nicht optimal ist. Zum Glück gibt‘s Du(ct/k) Tape. Mit diesem kann zum Beispiel der abgefahrene Außenspiegel des T5 unseres Nachbarn auf dem Caravan-Stellplatz wieder fest mit dem Auto verbunden werden. Und man kann daraus in Kombination mit Pappkarton und einer alten Lumpendecke eben auch hervorragend Schuhe bauen. Die einzigen verbesserungswürdigen Punkte der Schuhe sind die Atmungsaktivität sowie die Tatsache, dass die Du(ct/k)-Verschlüsse mehr oder weniger Wegwerfartikel sind und vor jedem Anziehen der Schuhe ersetzt werden müssen. Der Prolog startet dann am späten Nachmittag bei offiziell 42 °C Außentemperatur und während des Prologs werden wir die 45 °C erreichen; und Schatten ist nicht. Das Eierphone meldet nur noch, dass es Abkühlen müsse, um wieder benutzt werden zu können. Als halbes Reptil kann ich mit den Bedingungen ganz gut umgehen, wenngleich es in den Radschuhen am Start dann doch ganz schön heiß wird. Für Säuge-Laura sieht das allerdings anders aus. Ihre Bedingungen sind eher 8 °C und Nieselregen. In der Folge müssen wir den Prolog im Standgas absolvieren. Trotzdem werden wir solide Zweite in der Mixed-Kategorie. Die Bedingungen sind eben für alle eine Herausforderung. Dass hinsichtlich Platz eins nicht viel gehen wird, hatten wir schon vorher geahnt und dies bestätigt sich jetzt. Gegen Yolande de Villiers und Charles McFall sind wir chancenlos. Beim Cape-Epic werden wir die beiden allerdings nicht sehen, da die gute Yolande wegen ihrer Dopingvergehen dort lebenslang gesperrt ist. Auf der Suche nach einem Mixed-Partner wurde sie offensichtlich bei Charles McFall fündig, dem wiederum seine Mixed-Partnerin Carmen Buchacher abhanden gekommen ist, da sie ihrerseits gerade eine zweijährige Sperre absitzen muss … was für ein Sumpf. Letzteres soll allerdings nicht heißen, dass es in Deutschland besser aussieht (für die Insider: die nächste Bombe ist im MTB-Sport de fakto schon detoniert, wurde aber von allen Beteiligten so gut in Stroh verpackt, dass bisher kaum jemand etwas mitbekommen hat). Am Abend nach dem Prolog müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Klimaanlage des Wohnmobils defekt ist. Damit scheidet es als Übernachtungsort aus. Zum Glück haben wir vorgesorgt und das Zelt mitgebracht. In diesem werden wir die folgenden Tage in der dichtesten Kugelpackung übernachten. Gut, dass wir ein Wohnmobil für sechs Personen haben. Die drei Etappen nach dem Prolog gestalten sich wettertechnisch etwas angenehmer, da der Start früh 6:30 Uhr erfolgt. Trotzdem wird es natürlich noch heiß gegen Ende der Etappen, aber es lässt sich aushalten. Strecke und Landschaft sind großartig und wir harmonieren von Tag zu Tag besser. Unter anderem bezwingen wir das „Merino Monster“, welches als schlimmster Anstieg Südafrikas gehandelt wird, sich aber dann als nicht so schlimm wie befürchtet entpuppt. Ergebnismäßig ist es etwas langweilig, denn wir werden jeden Tag Zweite, was am Ende auch unserem Gesamtrang in der Mixed-Kategorie entspricht. Die Tatsache, dass wir in der Gesamtwertung vor dem ersten Damen-Elite-Team landen, ist aber durchaus erfreulich. Den Kindern gefällt der Camping-Urlaub so gut, dass sie am Ende gar nicht wieder abreisen wollen; und Klara scheint zum Glück ein bisschen Reptil von mir mitbekommen zu haben. Insgesamt können wir Abenteuer-Experiment #2 also als erfolgreich deklarieren. Lediglich Constance wird nach den vier Tagen mit uns sicher froh sein, wieder ihre Ruhe zu haben ...

Das Wohnmobil findet geradeso Platz in unserer Einfahrt.

Vom KFZ-Mechaniker zum Schuhmacher ...

Ein Teil unseres Lagers (die Kinder dürfen bei diesen Temperaturen ganz ausnahmsweise trotz Wasserknappheit ins Planschbecken)

Bei den Rennen in Südafrika wird meist auch an die Kinder gedacht :)
Vom Schuhmacher zum Ochsen, mal sehen, was noch so kommt ...
Ausnahmsweise darf ich bergab auch mal vorne fahren ...

... normalerweise darf ich nämlich bergab nur hinterher, weil ich vorne wahlweise zu schnell oder zu langsam fahre.
Geschafft!