Samstag, 5. Oktober 2019

Liegen geblieben

[Vorbemerkung: Der Hauptteil des Blogs wurde vor zwei Wochen geschrieben; aber die Veröffentlichung hat sich dann doch noch etwas hingezogen. Die zeitlichen Zusammenhänge könnten deshalb etwas verwirrend sein ;)]

Mehr als zwei Monate war es ruhig hier. Nicht etwa, dass es nichts zu berichten gegeben hätte – im Gegenteil: es war soviel los, dass einfach keine Zeit fürs Blogschreiben geblieben ist. Gerade eben passt es ganz gut, da ich ohnehin mit dem Elch 400 Kilometer von Kapstadt entfernt liegen geblieben bin und darauf warte, dass sich mal jemand die Kiste anschauen kann. Gut dass unser Pflegekind nicht dreimal in der Werkstatt war seit dem letzten Blog. Zum Brake Assist Service gesellte sich recht bald noch ein „Engine System Service Required“ mit dem internen Error-Code 42. Ein Handtuch ins Auto zu legen sowie zwei Werkstattbesuche brachten nichts, letztlich konnte ich aber nach einigem googeln die Verdachtsdiagnose eines defekten Bremspedalpositionssensors stellen. Keine Ahnung was das nun mit Engine System Service Required zu tun hat, aber was soll‘s. Als sich wenig später massive Fehlzündungen im Leerlauf zur Krankheitsgeschichte gesellten, begab ich mich nochmal auf die ernsthafte Suche nach einem Volvo-Spezialisten in Kapstadt. Dieser Versuch war zumindest teilweise erfolgreich, denn die gefundene Werkstatt, wenngleich ziemlich weit von uns entfernt, machte einen recht kompetenten und organisierten Eindruck. Meine Verdachtsdiagnose des defekten Bremspedalpositionssensors wurde dort bestätigt, und eine verschmutzte Drosselklappeneinheit als Ursache für die Fehlzündungen ausgemacht. Weiterhin wurde ermittelt, dass Anfang des Jahres falsche Bremsbeläge eingebaut wurden. Wie man es schafft, zu kleine Bremsbeläge einzubauen ist mir ein Rätsel. Das Endresultat ist jedenfalls, dass die ebenfalls gewechselten Bremsscheiben nicht einmal den ersten Satz Bremsbeläge überlebt haben und jetzt eine tellerförmige Gestalt aufweisen. Afrika. Nach dem Werkstattbesuch lief der Elch immerhin für kurze Zeit recht gut und fehlerfrei, und dieses Wochenende [welches zur Zeit der Veröffentlichung des Blogs schon wieder zwei Wochen zurück liegt] wagte ich mich mit ihm auf die Reise in Richtung Garden Route, um das mit 4500 Teilnehmern gar nicht mal so kleine Mountainbike-Rennen „Karoo to Coast“ von Uniondale nach Knysna in Angriff zu nehmen. Da die Entscheidung zur Teilnahme kurzfristig fiel, war auch die Organisation der Maßnahme gar nicht mal so einfach. Letztlich sah der Plan so aus: Samstagnachmittag Anreise ins 100 Kilometer von Uniondale entfernte George, Übernachtung, Sonntag 0400 Start in Richtung Uniondale, dort Abholung der Startunterlagen und Übergabe des Elchs an jemanden, der das Auto von Uniondale nach Knysna befördert, 0730 Startschuss, 1100 Ankunft mit dem Rad in Knysna, 1300 ggf. Siegerehrung und unmittelbare Rückreise in Richtung Kapstadt. Ohne Kinder an Bord kann man so eine Nacht-und-Nebel-Aktion schon mal starten; als man noch jünger war, hat man das ja noch regelmäßig gemacht. Natürlich kam es anders als geplant. Bereits die Übergabe des Autos wurde zum Nervenkitzel, da der Fahrer verspätet war, sodass ich mich nur noch kurz vor knapp in den Startblock mogeln konnte. Die Tatsache, dass ich das Rennen trotz übelster Witterungsbedingungen (erst im Nachhinein wurde mir beim Blick auf gArmins Daten klar, dass es beinahe glatt geworden wäre) überpünktlich 1049 siegreich beendete, verkommt in Anbetracht der weiteren Geschehnisse zur Randnotiz. Im Ziel verriet mir der Blick aufs Eierfon, dass der Elch 30 Kilometer von Uniondale entfernt liegen geblieben war. Da ich sowieso schon befürchtete, dass er es nicht pünktlich bis Knysna schafft, hatte ich eine Notfall-Tasche mit Jacke, Mittagessen, usw. über den Gepäcktransport des Veranstalters mitgegeben. Dumm nur, das Letzterer auch nicht wirklich pünktlich das Ziel in Knysna erreichte. So klapperte ich dann im Ziel für 45 Minuten in einer Art- und Weise, wie es mir bisher erst einmal passiert ist (es war eine recht schneereiche Austragung des Erzgebirgsradrennens in Markersbach – ich erinnere mich wie mein Bruder und ich damals eine halbe Stunde brauchten uns Umzuziehen, weil wir weder Gefühl in den Fingern noch Positioniergenauigkeit mit denselben vorzuweisen hatten). Nachdem die Siegerehrung wegen anhaltenden Unwetters inklusive Gewitters abgeblasen wurde, musste der sonntägliche Rücktransport des Elchs nach George organisiert werden. Man kann in Südafrika ja kein Auto irgendwo im Nirgendwo nachts an der Straße stehen lassen. Hier erwies sich die Hilfsbereitschaft des Fahrservices, der ja nun wirklich auch nichts für die Situation konnte, als sehr hilfreich. Mich brachte jemand dankenswerterweise ins 25 Kilometer von Knysna nach Sedgefield, wo meine Habseligkeiten inklusive meines Fahrrades auf den Abschlepplaster verladen wurden. Von dort aus ging es, nur mit einer groben Angabe über seinen Aufenthaltsort ausgestattet, auf die Suche nach unserem Pflegekind. Diese verlief zum Glück erfolgreich. Natürlich konnte man den Elch zum Sonntag bei keiner Werkstatt abladen, also musste er erstmal auf den Parkplatz der Pension, die ich kurzfristig noch gebucht hatte. Als ungünstig erwies sich, dass die Parkplatz-Einfahrt derart stark anstieg, dass der Abschlepplaster aufsetzte. So blieb nur draußen abladen und schieben. Mit viel Schwung und unter Mithilfe des Personals der Pension gelang die Harakiri-Maßnahme nach einigen Fehlversuchen. Der Bezahlvorgang für das Abschleppmanöver erwies sich als nächste Hürde. Blöderweise hatte ich die falsche Kreditkarte einstecken – nämlich die mit der man am Geldautomaten kein Geld abheben kann. Man bestand dann darauf, dass ich sofort eine Überweisung durchführe – allerdings von einem südafrikanischen Konto ausgehend. Schlecht dass wir mit unserer temporären Aufenthaltserlaubnis gar nicht berechtigt sind, ein südafrikanisches Konto zu führen. Letztlich fand sich ein südafrikanischer Freund, der aus dem Urlaub heraus die Überweisung für mich tätigte und den Beleg dafür per E-Mail sendete. Heute morgen nun brauchte ich den Abschleppservice erneut, um den Elch zur Werkstatt zu befördern. Dies gelang ausnahmsweise einmal reibungslos. Die benötigte Geldmenge hatte ich zum Glück noch bar im Portmonaie. [… jetzt schaut sich endlich einer die Kiste an … das Resultat ist derart erschütternd, dass ich das Weiterschreiben des Blogs später fortsetze …] Als der Elch auf der Bühne ist, wird erstmal geschaut, ob sich am Motor noch was dreht. Ein vielleicht 60 cm langer Hebel samt daran hängender Person führt allerdings zu keinem Millimeter Bewegung. Also Ölwanne ab und das Unglück bestaunen. Drinnen viel Schmodder, viele, viele Metallspäne, alle fünf Pleuel von der Hitze tiefschwarz, eines davon zerlegt, die Pleullager weggeschmolzen, die Kurbelwelle sieht folglich auch nicht mehr so richtig gut aus, die Überprüfung ob sich die Kolben noch bewegen erübrigt sich bei dem Befund. Die Beschau des Motoröles bzw. besser gesagt des Ölschlamms legt nahe, dass der letzte Motorölwechsel LAAAAANGE zurückliegt. Der Ölfilter sieht aus wie ein volles Kaffeesieb – was hier passiert ist, ist wahrlich kein Wunder. Jetzt kommt‘s aber: Der Elch hat zumindest formal eine lückenlose Service-Geschichte und war am 3. Juli 2019 zum Service inkl. Ölwechsel in der Werkstatt. So sagt es jedenfalls die Rechnung. Dass dort ein 15W40-Motoröl aufgelistet ist (Volvo schreibt 0W30 oder 5W30 vor), ist bestenfalls ein Schönheitsfehler. Denn, so sagte man mir einstimmig, selbst damit wäre dieser katastrophale Befund nicht zu erklären. Es sieht also ganz so aus, als sei der Elch durch Unterlassung heimtückisch ermordet worden. Wir bereiten uns schon mal moralisch auf den vermutlich bevorstehenden juristischen Marathon vor. Ich habe in meinem Leben noch keinen Rechtsanwalt gebraucht. Aber hier könnte es so weit sein. Ob unser Pflegekind bis zur geplanten Abreise Ende März wiederbelebt wurde, darf bezweifelt werden …
[Anmerkung zwei Wochen später: Gestern ist Laura mit dem notwendig gewordenen Mietwagen liegen geblieben …]




Abschleppservice fürs Rad ...

... und dann ist der Elch dran.
Als ob die Auto-Panne nicht schon genug gewesen wäre, teilte mir Laura am selben Tag noch mit, dass unser Tor mal wieder nicht auf und zu geht – man ahnt es schon, unser Jahrhundert-Bauwerk Mauer hat noch immer keinen zufriedenstellenden Endzustand erhalten. Nach der vorübergehenden Fertigstellung dauerte es genaue einen Starkregen, bis die neu errichtete Mauer nach innen beulte und das Eingangstor blockierte. Sowas passiert, wenn man Beton nicht ordentlich trocknen lässt und noch dazu die Mauer eine Rückhaltemauer für den höher gelegenen Garten darstellt. Die darauf folgende nähere Inspektion förderte eine elf Punkte umfassende Baumängelliste zutage, für die Dilettantismus noch ein recht milder Ausdruck ist. Weitere investigative Untersuchungen des Bruders der Hauseigentümer ergaben letztlich, dass Versicherungsgutachter (die Mauer war versichert) und Bauunternehmer ein und dieselbe Person mit zwei Unternehmen sind. Da muss man  natürlich über den Pfusch am Bau nicht besonders überrascht sein … wie dem auch sei, es blieb nichts anderes, als die neu errichtete Mauer wieder abzureißen und noch einmal zu errichten. Dabei wurde jeder einzelne Ziegel recycelt, denn eines Tages rückte ein Trupp Tagesarbeiter an, um die Mauer Stein für Stein abzutragen und jeden Ziegel einzeln vom Zement zu reinigen – ein Ausdruck dessen, dass Arbeitskraft für einfache Arbeiten in Südafrika praktisch nichts kostet. Aus dem gleichen Grund verrichten hier auf Baustellen 20 Arbeiter mit Hacke und Schaufel die Arbeit eines Baggerfahrers mit seinem Bagger. Was unsere Mauer betrifft, ist der Wiederaufbau vom Wiederaufbau, wie das Resultat des festsitzenden Tores anzeigt, offenbar immer noch nicht frei von Pfusch. Hier können selbst die Macher eines in der Umsetzung befindlichen, nahe der deutschen Hauptstadt gelegenen Großflughafens noch etwas lernen. Mittlerweile bin ich auch sicher, dass wir die Fertigstellung der Mauer nicht mehr erleben werden. Denn zu allem Überfluss hat man unserem Wohnungseigentümer in den Niederlanden unangekündigt den Job gekündigt. Dies wiederum bedeutet, dass die Familie kein Visum mehr erhält, schon bald zurückkommen und wir gerade damit beschäftigt sind eine neue Wohnung zu finden und umzuziehen.

Damit ist auch schon der Bogen zum Thema Visum gespannt. Ich hatte ja geunkt, dass am wir am Ende alle Visa haben, während Klara ohne da steht. Nun, es kam auch hier anders als ich dachte: Klara hat ihr Visum, genau wie Laura und Paul. Emil und ich stehen dagegen bisher ohne da. Irgendwie sind unsere Anträge in Pretoria verloren gegangen. Jegliche Anfragen beim Department of Home Affairs haben bisher nichts Nützliches hervorgebracht  und mit den jedes Mal anderen und stets widersprüchlichen Aussagen könnte man allein einen vermutlich ziemlich belustigenden Blog füllen. Mittlerweile fallen zwei der drei im Internet aufgelisteten Telefonnummern des Departments unter die Kategorie „This number does not exist“. Ich denke, Laura war denen einfach zu penetrant mit ihren ständigen Nachfragen und es ist nur noch eine Frage der Zeit bis auch die letzte Nummer offline geht. Immerhin haben wir mittlerweile rausgefunden bzw. wir meinen rausgefunden zu haben, dass wir mit dem Übermittlungsbeleg des Visumsantrages noch legal im Land sind. Die Fußnote dazu ist jedoch so lang, dass ich sie hier nicht wiedergebe.

Nun aber ein abrupter Schwenk: Es wurde der Wunsch geäußert, dass wir uns mal zur Wasserknappheit in Südafrika äußeren. Als wir in Südafrika angekommen sind, war diese zwar schon nicht mehr im kritischsten Zustand, aber immer noch erheblich. Die uns „zustehende“ Wassermenge war damals glaube ich 50 Liter am Tag pro Person bzw. 1,5 Kubikmeter pro Monat pro Person. Es braucht keine furchtbar drastischen Maßnahmen, um dies einzuhalten. Letzten Endes sind Waschmaschine, Toilette, Dusche/Badewanne die Hauptbeiträge zum Wasserverbrauch. Bei der Waschmaschine lässt sich außer eine Effizientere zu kaufen nicht viel mehr machen, als den „Eco“-Modus zu benutzen und die Klamotten halt zu tragen bis man‘s nicht mehr riechen kann (soweit wäre es mit der letzten „Ausbaustufe“ 20 Liter am Tag pro Person gekommen, nicht aber mit 50 Liter). Für die Toilette wird Duschwasser, Spülwasser, etc. im Eimer aufgefangen und dort wiederverwendet. Dabei ist das Erlernen der richtigen Eimerspültechnik von entscheidender Bedeutung. Außerdem gilt der Grundsatz „Is it yellow, let it mellow, is it brown flush it down“. Desweiteren sind die meisten Toilettenkästen völlig überdimensioniert, was sich im Falle vorhandener Zugänglichkeit einfach durch das Versenken von Wasserflaschen im Toilettenkasten anpassen lässt. Vollbäder sind natürlich nicht mehr regelmäßig möglich (und waren auch verboten). Fürs Sauberwerden beim Duschen braucht man nicht mehr als zwei Minuten, alles andere ist Bequemlichkeit (ok, Frauen müssen sich vielleicht die Haare abschneiden …). Mit all diesen Maßnahmen kommt man auf ungefähr 30 Liter am Tag pro Person; und nichts davon schränkt die Lebensqualität maßgeblich ein, sobald man sich daran gewöhnt hat. Da wir genügend Regentänze aufgeführt und die Kinder ausreichend schlecht gegessen haben, hat sich mittlerweile die Lage in weiten Teilen des Landes aufgrund winterlicher Regenfälle auch stark entspannt. Die meisten Dämme sind nahezu voll. Und selbst jetzt, wo wir es nicht mehr so genau nehmen mit dem Wassersparen, sind wir locker unter 50 Liter pro Person und Tag. Wenn wir wieder zu Hause sind muss ich es mal nachschauen, aber ich glaube selbst dort wird es nicht viel mehr gewesen sein.

Es wäre auch noch viel anderes zu berichten: Von der Reise mit meinen Eltern und Lauras Geschwistern; unserem Abstecher für eine Woche nach Deutschland (Emils Kommentar zu meiner Bemerkung „Wir sind mit einem Airbus geflogen“: „Das war doch keine Erdnuss!“); meinem beim Versuch einen Salat zu Essen abgebrochenen Zahn; dem Kakadu der mir ein Ohr abkaute; dem Eierkuchenverkäufer im Blechkasten, bei dem bei Vergleich von Türgröße und Körperabmaßen völlig unklar war, wie er denselben jemals verlassen sollte, und dem letzten Endes aufgrund unserer Gefräßigkeit Eier und Mehl ausgingen – Zutaten, die wir zufälligerweise im Kofferraum hatten und ihm gewissermaßen verkaufen konnten, damit er uns mehr Eierkuchen macht … aber jetzt muss erstmal gut sein, mein Magen knurrt bei dem Gedanken an die Eierkuchen.


Die Milchstraße ist am südlichen Sternenhimmel deutlich besser zu sehen als am Nördlichen (das helle ist übrigens Jupiter, und irgendwo muss auch Saturn stecken ...)
 
Frühstückseier ...
Kinderrennen für Paul und Emil (Paul ist schon fertig, Emil schiebt sicherheitshalber ins Ziel)