Sonntag, 17. Februar 2019

Abenteuer-Experiment #2

Wie mittlerweile üblich beginnt auch dieser Blog mit den neuesten Nachrichten bzgl. unseres schwedischen Familienmitglieds. Die Sache mit der Hinterradaufhängung haben wir vorerst nicht weiter verfolgt und unsere Fahrweise einfach angepasst. Bei uns würden wir damit in die Kategorie „Graukappen“ eingeordnet werden. In Südafrika ist es allerdings nichts Ungewöhnliches, wenn einer sein Auto sehr vorsichtig bewegt. Schließlich gibt es hier genügend Leute, deren fahrbarer Untersatz kurz davor ist die Hufe hochzureißen. Aber auch mit gemäßigter Fahrweise ist man vor Überraschungen nicht sicher. So versenkt Laura am vergangenen Freitag beim Versuch das Parkhaus zu verlassen die Fensterscheibe der Fahrertür  unwiederbringlich in derselbigen. Mit offenem Fenster würde ich mein Auto selbst in Dresden ungern stehen lassen und hier in Kapstadt natürlich gleich gar nicht. Es hilft nichts – ich als alter Simulant muss unter die Automechaniker gehen. Es wird die Fahrertür entkernt, um zunächst festzustellen, dass sich die Fensterscheibe unerlaubterweise vom Fensterhebemechanismus gelöst hat. Das macht die Symptomatik des verschwundenen Fensters einigermaßen verständlich. Die Führung des Fensters baumelt willenlos im Inneren der Tür herum, wofür wiederum ein einziger gebrochener Niet verantwortlich ist. Es hat sich vermutlich noch nicht bis Schweden herumgesprochen, dass statisch bestimmte Konstruktionen nicht unbedingt in die Kategorie „fail safe“ fallen. Zum Glück sind beim Aufbau von Melissa & Doug‘s Kiddie‘s Kitchen noch ein paar Schrauben und Muttern übrig geblieben, mit denen sich das beheben lässt -  mit zweifelsohne besseren Festigkeitseigenschaften als vorher. Dummerweise stellt sich im weiteren Verlauf der Reparaturmaßnahme heraus, dass weiterhin – ob nun als Ursache oder Wirkung sei dahingestellt – eine entscheidende Nase an einem 2-Euro-Kunststoffteil irreparabel abgebrochen ist. Wenn man einen 3D-Drucker und einen Zeitüberschuss hätte, ließe sich da vielleicht etwas machen. Leider ist weder das eine noch das andere der Fall. Immerhin gelingt es, das Fenster im geschlossenen Zustand wieder einzusetzen. Bis ein Ersatzteil da ist, wird nun Paul, der hinten rechts sitzt, an den Mautstellen bezahlen müssen …

Vom Simulanten zum KFZ-Mechaniker
Die vergangene Woche verlief in ganz Kapstadt leicht chaotisch. Ursache dafür war, dass „Mr. President“ Ramaphosa in einer Ansprache an die Nation die Aufteilung des südafrikanischen Elektrizitätslieferanten ESKOM in die Sparten „generation“, „transmission“ und „distribution“ angekündigt hat. Dazu muss man wissen, dass ESKOM noch vor nicht allzu langer Zeit internationale Spitze in Sachen effiziente Stromerzeugung aus Kohle war. Der Konzern wurde in den letzten Jahren aber durch Missmanagement zu einem „korrupten Haufen, die Knöpfe drücken ohne zu wissen was sie tun“ heruntergewirtschaftet, wie es ein befreundeter Südafrikaner ausdrückte. Im Kern scheint an der Aussage was dran zu sein. Symbolisch für den Zustand des Konzerns stehen die beiden Mega-Kohle-Kraftwerke bzw. Mega-Kohle-Kraftwerks-Projekte Medupi und Kusile, die nach Fertigstellung zehn Gigawatt zur Verfügung stellen sollten. Sollten, wohlgemerkt. Denn offenbar haben alle internationalen Planer die Hände in Anbetracht der Dimension der Projekte gehoben, weshalb ESKOM Planung und Bau halt selbst in die Hand genommen hat. Der gegenwärtige Zustand lässt sich in die Kategorie Flughafen BER einordnen. Abreißen und vergessen wäre gewiss das wirtschaftlichste Vorgehen. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint eine Neustrukturierung des Konzerns durchaus Sinn zu machen. Selbstredend gefällt das der Arbeitervertretung von ESKOM aber nicht so recht. Und so muss es einen auch nicht wundern, dass drei Tage nach der Ansprache – natürlich rein zufällig – sieben „load generating units“, die zusammen wohl vier Gigawatt Leistung ausmachen, ihren Dienst versagen. Die Folge sind dauernde Stromabschaltungen, die zwischenzeitlich zu heillosem Chaos führen. Da gehen dann in der rush hour, die in Kapstadt sowieso schon übel ist, eben mal in einem ganzen Stadteil alle Ampeln aus. Natürlich ziehen die plötzlichen Stromausfälle allerlei Überraschungen nach sich. Beispielsweise wird das elektronische Zugangssystem an der Universität für einen Tag teilweise lahm gelegt und wir stehen vor der Tür. Hoch lebe der mechanische Schlüssel! Ähnlich sieht es vielerorts aus. Das wirtschaftliche Ausmaß des Schadens will ich gar nicht wissen ...

Und dann war da ja noch das angekündigte Abenteuer-Experiment #2. Laura und ich wollen ja, wie schon mal erwähnt, im März gemeinsam beim Cape-Epic im Mixed-Team starten. 2014 hatten wir das schon mal vor, aber da hatten wir die Rechnung ohne den mittlerweile gar nicht mehr so kleinen Paul gemacht. Fakt ist, dass unser letztes und bisher einziges gemeinsames Etappenrennen mehr als sechs Jahre zurück liegt bzw. lag und wir es daher für vernünftig hielten, im kleineren Maßstab zu testen, ob wir uns noch gemeinsam vertragen. Die Wahl fiel auf das viertägige Tankwa Trek, welches auch ein Großteil der Elite als Vorbereitung auf das Cape-Epic fährt. So sollte es vom 7.-11.2. in die Nähe des nur zwei Autostunden von Kapstadt entfernten Ceres gehen. Die Organisation der Maßnahme gestaltete sich freilich etwas komplizierter als bei Abenteuer-Experiment #1. Über den Veranstalter können wir schließlich ein Wohnmobil organisieren. Für die Kinderbetreuung während des Rennens nehmen wir in bewährter Manier Constance mit. Insgesamt verläuft die Anreise erfreulich unauffällig, mit Ausnahme der Tatsache, dass der halben Mannschaft im hinteren Teil des Wohnmobils schlecht wird. Vor Ort angekommen, müssen wir allerdings feststellen, dass sich Paul ohne Schuhe ins Wohnmobil gemogelt hat. Ersatz haben wir auch nicht mit. Das ist zum ersten ungünstig, weil die Außentemperatur über 40 °C beträgt und barfuß auf Sandboden da nicht mehr so gut ist. Zum zweiten ist alles voller Dornen, was ebenfalls barfuß nicht optimal ist. Zum Glück gibt‘s Du(ct/k) Tape. Mit diesem kann zum Beispiel der abgefahrene Außenspiegel des T5 unseres Nachbarn auf dem Caravan-Stellplatz wieder fest mit dem Auto verbunden werden. Und man kann daraus in Kombination mit Pappkarton und einer alten Lumpendecke eben auch hervorragend Schuhe bauen. Die einzigen verbesserungswürdigen Punkte der Schuhe sind die Atmungsaktivität sowie die Tatsache, dass die Du(ct/k)-Verschlüsse mehr oder weniger Wegwerfartikel sind und vor jedem Anziehen der Schuhe ersetzt werden müssen. Der Prolog startet dann am späten Nachmittag bei offiziell 42 °C Außentemperatur und während des Prologs werden wir die 45 °C erreichen; und Schatten ist nicht. Das Eierphone meldet nur noch, dass es Abkühlen müsse, um wieder benutzt werden zu können. Als halbes Reptil kann ich mit den Bedingungen ganz gut umgehen, wenngleich es in den Radschuhen am Start dann doch ganz schön heiß wird. Für Säuge-Laura sieht das allerdings anders aus. Ihre Bedingungen sind eher 8 °C und Nieselregen. In der Folge müssen wir den Prolog im Standgas absolvieren. Trotzdem werden wir solide Zweite in der Mixed-Kategorie. Die Bedingungen sind eben für alle eine Herausforderung. Dass hinsichtlich Platz eins nicht viel gehen wird, hatten wir schon vorher geahnt und dies bestätigt sich jetzt. Gegen Yolande de Villiers und Charles McFall sind wir chancenlos. Beim Cape-Epic werden wir die beiden allerdings nicht sehen, da die gute Yolande wegen ihrer Dopingvergehen dort lebenslang gesperrt ist. Auf der Suche nach einem Mixed-Partner wurde sie offensichtlich bei Charles McFall fündig, dem wiederum seine Mixed-Partnerin Carmen Buchacher abhanden gekommen ist, da sie ihrerseits gerade eine zweijährige Sperre absitzen muss … was für ein Sumpf. Letzteres soll allerdings nicht heißen, dass es in Deutschland besser aussieht (für die Insider: die nächste Bombe ist im MTB-Sport de fakto schon detoniert, wurde aber von allen Beteiligten so gut in Stroh verpackt, dass bisher kaum jemand etwas mitbekommen hat). Am Abend nach dem Prolog müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Klimaanlage des Wohnmobils defekt ist. Damit scheidet es als Übernachtungsort aus. Zum Glück haben wir vorgesorgt und das Zelt mitgebracht. In diesem werden wir die folgenden Tage in der dichtesten Kugelpackung übernachten. Gut, dass wir ein Wohnmobil für sechs Personen haben. Die drei Etappen nach dem Prolog gestalten sich wettertechnisch etwas angenehmer, da der Start früh 6:30 Uhr erfolgt. Trotzdem wird es natürlich noch heiß gegen Ende der Etappen, aber es lässt sich aushalten. Strecke und Landschaft sind großartig und wir harmonieren von Tag zu Tag besser. Unter anderem bezwingen wir das „Merino Monster“, welches als schlimmster Anstieg Südafrikas gehandelt wird, sich aber dann als nicht so schlimm wie befürchtet entpuppt. Ergebnismäßig ist es etwas langweilig, denn wir werden jeden Tag Zweite, was am Ende auch unserem Gesamtrang in der Mixed-Kategorie entspricht. Die Tatsache, dass wir in der Gesamtwertung vor dem ersten Damen-Elite-Team landen, ist aber durchaus erfreulich. Den Kindern gefällt der Camping-Urlaub so gut, dass sie am Ende gar nicht wieder abreisen wollen; und Klara scheint zum Glück ein bisschen Reptil von mir mitbekommen zu haben. Insgesamt können wir Abenteuer-Experiment #2 also als erfolgreich deklarieren. Lediglich Constance wird nach den vier Tagen mit uns sicher froh sein, wieder ihre Ruhe zu haben ...

Das Wohnmobil findet geradeso Platz in unserer Einfahrt.

Vom KFZ-Mechaniker zum Schuhmacher ...

Ein Teil unseres Lagers (die Kinder dürfen bei diesen Temperaturen ganz ausnahmsweise trotz Wasserknappheit ins Planschbecken)

Bei den Rennen in Südafrika wird meist auch an die Kinder gedacht :)
Vom Schuhmacher zum Ochsen, mal sehen, was noch so kommt ...
Ausnahmsweise darf ich bergab auch mal vorne fahren ...

... normalerweise darf ich nämlich bergab nur hinterher, weil ich vorne wahlweise zu schnell oder zu langsam fahre.
Geschafft!

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